Peitz' Ständelwurz
Epipactis peitzii
H. NEUMANN & WUCHERPFENNIG 1996


*Epipactis peitzii * H. NEUMANN & WUCHERPFENNIG, Jour. Eur. Orch. 28(4): 746-754 (1996)

Abb. 1
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW
Typus: Deutschland, Rheinland-Pfalz, Rhein-Lahn-Kreis: Hohlenfels

Syn.:
Epipactis muelleri GODFERY var. peitzii (H. NEUMANN & WUCHERPF.) P. DELFORGE 1997
Epipactis leptochila (GODFERY) GODFERY subsp. peitzii (H. NEUMANN & WUCHERPF.) KREUTZ 2004
Epipactis leptochila (GODFERY) GODFERY var. peitzii (H. NEUMANN & WUCHERPF.) P. DELFORGE 2004
Etymologie:
Gewidmet dem deutschen Orchideenkenner Eduard Peitz (1913-1984)

Wuchs und Größe :

(15-) 25-37 cm, Triebe fast immer einzeln

Stängel:

kräftig, steif

Blätter:

3-4 Laubblätter und 1 (-2) Hochblätter, spitz eiförmig, das größte 5-9 cm lang, 1,5-2 mal so lang wie das Internodium, dunkelgrün, etwas ledrig, schräg aufwärts gerichtet

Blütenstand:

einseitswendig mit (5-) 10-20 (-23) Blüten, Spindel dicht kurzhaarig

Fruchtknoten und Stiel:

fast kahl, Stiel hellgrün

Tragblätter:

untere doppelt so lang wie die Blüten, waagrecht (seltener schräg aufwärts) gerichtet

Blüten:

mittelgroß, anfangs weit geöffnet, abstehend – leicht nickend

Bestäubung obligat autogam

Sepalen:

blassgrün, 9,5-11,5 mm lang

Petalen:

grünlichweiß mit rosa Rand, ungefähr so breit wie die Sepalen

Hypochil:

innen rotbraun, seltener dunkelbraun oder grün

Durchgang zwischen Hypo- und Epichil:

eng, "U"-förmig


Epichil/Kalli:

breit herzförmig, zugespitzt, etwas länger als breit (Länge/Breite 1,1-1,3), konvex, vorgestreckt mit leicht zurückgekrümmter Spitze (selten stärker zurückgeschlagen), Seitenkalli kräftig, glatt, Mittelkiel deutlich. Epichil und Seitenkalli gelblichweiß, Mittelkiel   oft bräunlichrot

Gynostemium:

Anthere kurz gestielt, Klinandrium sehr kurz oder fehlend, Narbe senkrecht zur Säulenachse; die lange kompakt bleibenden Pollinien überragen die Narbe weit und liegen mit der Basis auf dem oberen Narbenrand oder auf der Narbenfläche, das Viscidium fehlt

Blütezeit:

E 7 – A 8 (im gleichen Gebiet nur wenig vor E. purpurata aufblühend, die Blütezeiten beider Arten überschneiden sich)



Abb. 2
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW
Variabilität:

Ein kleiner Teil der Pflanzen hat einen dünneren Stängel und längere, stärker abstehende Blätter (Abb. 10), selten sind die Blüten etwas stärker rot gefärbt (Abb. 16, 19). Die Längs- und Querkrümmung des Epichils variiert wenig, das Klinandrium kann sehr kurz sein – dann bleiben die Pollinien mit der Basis am Oberrand der Narbe hängen (Abb. 25) – oder völlig fehlen, dann liegen die Pollinien auf der Narbenfläche (Abb. 26)

Abb. 3
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
sehr selten: zerbröselte Pollinien –
Folge eines Insektenbesuchs?
Foto: WW
Verwechslungsmöglichkeiten:

Epipactis leptochila hat ein längeres Klinandrium mit schräg zur Säulenachse stehender Narbe und ein langes, konkaves Epichil mit breitem, V-förmigem Durchgang.

Epipactis muelleri hat schmälere, rinnige Blätter mit gewelltem Rand und einen sehr breiten Durchgang.

Epipactis neglecta hat ein Epichil, das länger als breit ist, ein gut entwickeltes Klinandrium mit schräg zur Säulenachse stehender Narbe und meist ein (funktionsloses) Viscidium.

Epipactis komoricensis und Ep. peitzii sind einander täuschend ähnlich, obwohl die bisher bekannten Wuchsorte 750 km voneinander entfernt sind. Epipactis komoricensis ist schlanker mit dünnerem Stängel und weichen, schlafferen, helleren Blättern, die Seitenkalli sind fast immer rosa vom weißen Epichil abgesetzt. Epipactis peitzii wirkt stämmiger mit dickerem Stängel und ledrigen, steifen, dunkleren Blättern, die Seitenkalli haben die gleiche weißliche Färbung wie das Epichil.

Verbreitung

Gebiet:

Deutschland, nördlicher Taunus

Höhe:

230 m


Stand 2011
Verbreitungsgebiet
Kartenquelle: www.mygeo.info


Abb. 4
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
loc. typ. von E. peitzii

Foto: WW

Standort

Boden:

Mullboden


Exposition:

NO, etwa 20° Neigung


Biotoptyp:

Buchenhochwald auf Kalk; teils nackte Laubstreu, teils lockere Krautschicht aus Bingelkraut (Mercurialis perennis)



Abb. 5
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
loc. typ. von E. peitzii

Foto: WW
Besonderheiten

Bis vor kurzem waren nur 1 (oder 2?) Populationen in Deutschland bekannt.
Im Jahre 2011 wurde jedoch interessanterweise ein weiteres Vorkommen in Ungarn, ca. 15 km nordwestlich von Budapest bekannt.

Wie bei vielen autogamen Epipactis-Arten blühen bereits sehr kleine Pflanzen (Abb. 8).
Der Boden am Typuswuchsort ist gut wasserdurchlässig, in trockenen Sommern ist die Anzahl und die Größe der Pflanzen deutlich reduziert.

Problematik

Epipactis peitzii wurde in der Vergangenheit trotz der eindeutigen Merkmalskombination mehrfach anderen autogamen Epipactis-Arten zugeordnet (siehe Synonyme). Wie in ähnlichen Fällen hat auch hier eine biochemisch-molekulargenetische Untersuchung (P.M. Hollingsworth et al. in J. Bailey & R.G. Ellis, Current taxonomic research on the British and European Flora: 27-44 [2006]; http://www.rbge.org.uk/assets/files/science/Genetics_Conservation/EpipactisTaxonomicComplexity.pdf) den Artstatus von Epipactis peitzii bestätigt, insbesondere die Trennung gegenüber E. leptochila (18 untersuchte Populationen aus GB, F und D) und Epipactis muelleri (7 Populationen aus F und D).


Abb. 6
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW

Abb. 7
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW

Abb. 8
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
auch kleine Pflanzen blühen schon
Foto: WW

Abb. 9
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
für Epipactis-Jungpflanzen typisch: lange Blätter in zweizeiliger Anordnung
Foto: WW

Abb. 10
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
bei Ep. peitzii selten: ältere Pflanze mit
längeren Blättern an dünnerem Stängel

Foto: WW

Abb. 11
Deutschland, Hohlenfels 02.08.2005
Foto: UG

Abb. 12
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW

Abb. 13
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW

Abb. 14
Deutschland, Hohlenfels 02.08.2005
Foto: UG

Abb. 15
Deutschland, Hohlenfels 25.07.1998
Foto: HP

Abb. 16
Deutschland, Hohlenfels 25.07.1998
Foto: HP

Abb. 17
Deutschland, Hohlenfels 25.07.1998
Auch autogame Epipactis-Arten ziehen Bestäuber an.
Foto: HP

Abb. 18
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW

Abb. 19
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
mit stärkerer Rotfärbung
Foto: WW

Abb. 20
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
mit schwächerer Rotfärbung
Foto: WW

Abb. 21
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW

Abb. 22
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
mit stärkerer Rotfärbung
Foto: WW

Abb. 23
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW

Abb. 24
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW

Abb. 25
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Foto: WW

Abb. 26
Deutschland, Hohlenfels 02.08.2005
Foto: UG

Abb. 27
Deutschland, Hohlenfels 02.08.2005
Foto: UG

Abb. 28
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Säule mit sehr kurzem Klinandrium: Pollinien hängen am Oberrand der Narbe
Foto: WW

Abb. 29
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Säule ohne Klinandrium: Pollinien sitzen auf der Narbenfläche
Foto: WW

Abb. 30
Deutschland, Hohlenfels 26.07.1997
Blattrand
Foto: WW



Pflanzen aus Ungarn, die allem Anschein nach Epipactis peitzii darstellen


Abb. 31
Ungarn, Nagykovácsi 05.07.2011
Foto: MIKLOS CSÁBI

Abb. 32
Ungarn, Nagykovácsi 05.07.2011
Foto: MIKLOS CSÁBI

Abb. 33
Ungarn, Nagykovácsi 05.07.2011
Foto: MIKLOS CSÁBI

Abb. 34
Ungarn, Nagykovácsi 05.07.2011
Foto: MIKLOS CSÁBI

Abb. 35
Ungarn, Nagykovácsi 05.07.2011
Foto: MIKLOS CSÁBI

Abb. 36
Ungarn, Nagykovácsi 05.07.2011
Foto: MIKLOS CSÁBI

Abb. 37
Ungarn, Nagykovácsi 05.07.2011
Foto: MIKLOS CSÁBI

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