Kleins Ständelwurz, Kleinblütige Ständelwurz
Epipactis kleinii
M.B. CRESPO, M.R. LOWE & PIERA 2001


Bas.: Epipactis atrorubens (HOFFMANN) BESSER ssp. parviflora A. NIESCHALK & C. NIESCHALK; Ein Beitrag zur Kenntnis der Gattung Epipactis (ZINN) SW. emend. L. C. RICH. (Sektion Epipactis, Stendelwurz) in Spanien. Philippia 1 (2): 57 – 64 (1971)

Typus: Spanien, Provinz Albacete, s Vianos bei Alcaraz

Abb. 1
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
Foto: HP





Abb. 2
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
Foto: HP





Abb. 3
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
Foto: HP
Syn.: Epipactis parviflora (A. NIESCHALK & C. NIESCHALK) E. KLEIN nom. illeg. 1979
Etymologie:
kleinii: Gewidmet dem österreichischen Orchideenkenner Erich Klein
parviflora: kleinblütig

Wuchs und Größe :

(14) 20 – 30 (62) cm, Triebe in der Regel einzeln, seltener zu zweit oder in Gruppen

Stängel:

steif, graugrün bis violettgrün, hell graufilzig behaart, vermutlich kaum sterile Sprosse

Blätter:

3-6 Laubblätter, oft zweizeilig angeordnet, steif und schräg aufwärts stehend bis waagrecht und leicht überhängend; manchmal sehr klein, dunkelgrün bis hell graugrün, oft violett überlaufen (v.a. auf der Unterseite), besonders im Austrieb bis zur Blütezeit; sehr variabel in der Form, meist lang zugespitzt;
0-2 Hochblätter, meist schräg aufwärts stehend bis waagrecht angeordnet

Blütenstand:

m.o.w. einseitswendig mit 7-40 Blüten, Spindel dicht und stark behaart

Fruchtknoten und Stiel:

stark hell behaart, grün mit meist violetten Leisten
Stiel oft violett

Tragblätter:

untere 2-4 mal so lang wie die Blüten, vorwiegend waagrecht bis schräg aufwärts gerichtet


Blüten:

auffallend klein, glockig bis (seltener) weit geöffnet, abstehend – leicht nickend

Bestäubung allogam, vermutlich später auch autogam

Sepalen:

breit und kurz mit stumpfer Spitze, 5-5,5 (6) mm lang und 3 mm breit, außen graugrün, teils mit violettem Schimmer, drüsig behaart, innen grün bis gelb oder braunrot

Petalen:

bis 5 mm lang und bis 3 mm breit, außen graugrün bis gelblich grün und rötlicher Mittelleiste (diese behaart), innen grün bis gelblich oder rötlich

Hypochil:

klein und kugelig, Rand oben etwas zusammengezogen, 4 mm breit, 3 mm tief, innen hellbraun bis rotbraun, außen dunkel olivgrün bis hell bräunlich und oben weiß

Durchgang zwischen Hypo- und Epichil:

mittel bis eng, m.o.w. U-förmig, weißlich

Epichil/Kalli:

Epichil sehr klein (um 3 mm lang), meist gerade nach vorne gestreckt, selten herab gebogen, weißlich bis rosa, oft mit grünlicher Mitte, am Rand häufig gezähnt;
Kalli kräftig, gewöhnlich gegliedert, meist dunkler (rot) gefärbt, teils zerklüftet

Gynostemium:

Anthere sitzend, Rostellum vorhanden, Viscidium groß und funktionsfähig

Blütezeit:

je nach Meereshöhe (M) E 5 – M7 (A 8)
Variabilität:
Die Art variiert habituell stark hinsichtlich der Blattstellung und Blattgröße, was allerdings nicht nur auf Niederschläge und Beschattung zurückzuführen ist. Auch die Farbe ist uneinheitlich, ebenso wie die Intensität der violetten Tönung. Die Farbe der Blüten ist gewöhnlich in einer Population einigermaßen einheitlich, variiert aber stark in verschiedenen Gegenden. Der Öffnungsgrad der Blüten scheint von den gerade herrschenden klimatischen Verhältnissen abhängig zu sein.
Verwechslungsmöglichkeiten:

Epipactis kleinii ist aufgrund der kleinen Blüten und der starken Behaarung im Gebiet kaum mit einer anderen Art zu verwechseln. Am ähnlichsten ist ihr

E. microphylla, sie besitzt ein größeres, spitzes Epichil, weniger Rotanteile in den Blüten und kleinere Blätter (kürzer als die Internodien).

E. subclausa ist in Griechenland zu finden und zeigt zur Blütezeit meist eine stärkere Violettfärbung aller grünen Teile. Die Blätter sind meist weniger zweizeilig angeordnet, die Behaarung von Stängel und Fruchtknoten noch etwas stärker. Ihr Epichil ist öfter etwas herab geschlagen und etwas größer. Einzelne Exemplare besitzen durchaus eine nahezu identische Ausprägung wie E. kleinii. Allerdings wächst sie überwiegend in Buchenwäldern.

E. cardina kommt gelegentlich zusammen mit E. kleinii vor und ist ebenfalls oft violett überlaufen. Die Pflanzen sind aber meist kräftiger, haben deutlich größere Blätter und große Blüten.
Verbreitung

Gebiet:

Spanien (Berggebiete Mittel- und Ostspaniens) und Südfrankreich (nur Pyrenées orientales)


Höhe:

700 - 1900 m


Stand 2011
Verbreitungsgebiet
Kartenquelle: www.mygeo.info

Abb. 4
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya, 30.07.2001
Weitere Orchideenarten im Bild: E. cardina und Ceph. rubra in offenem Gelände, E. distans zwischen Jungkiefern.
Foto: HP

Abb. 5
Biotop von E. kleinii und E. campeadori: Spanien, Burgos, Quecedo. 20.06.2002
Foto: HZ
Standort

Boden:

basische, meist kalkhaltige Böden, teils sehr steinig, trocken; in Pappelplantagen auch auf Sand

Exposition:

jede

Biotoptyp:

in lichten Eichen-, Steineichen- und Kiefernbeständen, selten auch in Pappelplantagen;  meist halbschattig, selten vollsonnig oder sehr schattig; auch an Straßenrändern an abgeschobenen oder aufgeschütteten Stellen, in Straßengräben, häufiger in der Nähe von Terra rossa, teils grasig, teils im Laub oder auch an vegetationslosen, unbedeckten Stellen

Besonderheiten
Wie die meisten allogamen Epipactis-Sippen zeigt auch diese Art einen nahezu hundertprozentigen Fruchtansatz. Es muss also davon ausgegangen werden, dass auch bei ausbleibendem Insektenbesuch die Pollen durch Zerfallen den oberen Rand der Narbe erreichen und die Befruchtung so gesichert ist.

Die Pflanzen einer Population blühen häufig nicht genau gleichzeitig. Man kann also im selben Biotop sowohl knospende als auch abblühende Pflanzen praktisch nebeneinander finden.

Problematik
Epipactis kleinii war lange Zeit unter dem Namen E. parviflora bekannt. Diese Kombination ist allerdings ungültig, da der Name schon früher Verwendung fand. Im Unterartrang ist „parviflora“ allerdings gültig.

Die auffallende Art steht der griechischen E. subclausa morphologisch sehr nahe, Einzelne Exemplare können praktisch identisch aussehen und wären am selben Wuchsort sicherlich nicht eindeutig zuzuordnen. Eine genetische Untersuchung sollte klären, ob beide Sippen nicht besser im Unterartrang geführt werden müssten. Eine Unterordnung als Subspezies unter E. atrorubens ist nach unserer Auffassung trotz der Ursprungsbeschreibung aber nicht zu befürworten.


Abb. 6
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
zu Abb. 6 und 7: Lockere Steineichenbestände; begleitende Orchideenarten, auch in weiterem Umkreis: E. tremolsii (lusitanica), Ceph. rubra, Ceph. damasonium und Ceph. longifolia, Anacamptis pyramidalis, Himantoglossum hircinum, Limodorum abortivum, Ep. microphylla.
Foto: HP

Abb. 7
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
Foto: HP

Abb. 8
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
Foto: HP

Abb. 9
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
sehr kleinblättriges Exemplar
Foto: HP

Abb. 10
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
Foto: HP

Abb. 11
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
Foto: HP

Abb. 12
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
schwaches Exemplar
Foto: HP

Abb. 13
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya, 30.07.2001
fruchtend
Foto: HP

Abb. 14
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya, 30.07.2001
fruchtend
Foto: HP

Abb. 15
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya, 30.07.2001
Foto: HP

Abb. 16
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
Foto: HP

Abb. 17
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya 30.06.2001
stark violett gefärbtes Exemplar
Foto: WW

Abb. 18
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya 27.05.2002
Epipactis kleinii austreibend
Foto: HP

Abb. 19
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
Foto: HP

Abb. 20
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
Foto: HP

Abb. 21
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya, 30.07.2001
umgeschlagenes Epichil
Foto: HP

Abb. 22
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
Foto: HP

Abb. 23
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya, 30.07.2001
umgeschlagenes Epichil
Foto: HP

Abb. 24
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
Foto: HP

Abb. 26
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
stark behaarte Spindel mit 2 Fruchtknoten-Stielchen
Foto: HP

Abb. 25
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
Foto: HP

Abb. 27
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
extrem weit geöffnete Blüten
Foto: HP

Abb. 28
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
Foto: HP

Abb. 29
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya, 30.07.2001
umgeschlagenes Epichil
Foto: HP

Abb. 30
Spanien, Teruel, Puerto de Villaroya, 30.07.2001
Foto: HP

Abb. 31
Spanien, Tarragona, Serra de Cardó, Rasquera, 31.05.1996
Foto: HP

Abb. 32
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
Foto: HP

Abb. 33
Frankreich, Pyrenées Orientales, Amélie les Bains, 06.06.2009
Foto: HP

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