Widders Kohlröschen
Nigritella widderi
TEPPNER & KLEIN (1985)


Unterfamilie: Orchidoideae
Tribus: Orchideae
Subtribus: Orchidinae

Wandspitz, 25.06.2006
Foto: U.Grabner
Blütezeit: A 6 - A (M) 7

Beschreibung:
Das auffälligste unserer Kohlröschen wird zwischen 9 - 20 cm hoch und besitzt einen robusten, oberwärts kantigen Stängel.
Die hellgrünen Laubblätter sind ähnlich, wie bei allen Nigritella- Species, etwa zur Hälfte am Stängelgrund rosettig angeordnet, der Rest ist am Stängel verteilt, linealisch bis grasartig, schräg bis steil nach oben gerichtet und rinnig gebogen.
Die oberen, in Blütenstandsnähe sitzenden, Blätter sind im Gegensatz zu den dunkelblütigen Vertretern der Gattung nicht dunkel gerandet, sondern weisen lediglich etwas rotbräunlich angehauchte Blattspitzen auf.
Der Blütenstand ist dichblütig, anfangs spitz halbkugelig, später kugelig bis kurz eiförmig.
Charakteristisch für N. widderi ist die attraktive Färbung des Blütenstandes, die meist in einem Verlauf von fast weiß im unteren Bereich bis intensiv rosarot (mit leichten Blauanteilen) an der Spitze auftritt. Zu beobachten ist dieses Phänomen vor allem bei halberblühten Exemplaren.
Da die Blütezeit nur sehr kurz ist (etwa 1 Woche), sind die unteren Blüten bei Vollblüte meist schon welk.
Die Blüten sind, wie bei allen anderen Nigritalla-Arten, nicht resupiniert, sodass die Lippe nach oben zeigt. Die oberen Blüten sind kleiner als die unteren.
Die Lippe wird bis zu 8 mm lang und ist über dem Grund +/- stark sattelförmig eingeschnürt. Vor allem bei den meist etwas weiter geöffneten unteren Blüten kann man mit einer Lupe die, zwischen den Pollinien hervortretende, Rostellum-Falte erkennen, die den sich apomiktisch fortpflanzenden Nigritella- Arten zu eigen ist.
Der Sporn ist kurz, kugelig, ein Viertel so lang wie der Fruchtknoten und deutlich von der bauchigen Lippenbasis abgesetzt.
Die Sepalen sind in etwa so lang wie die Lippe und etwas breiter als die Petalen, die seitlichen etwas breiter als das mittlere Sepal.


Hochplatte 05.07.2009
Foto: H.C. Alt

Feichtenalm, 01.07.2006
Foto: Katja Grabner
Variabilität:
Vor allem die Intensität der Blütenfärbung kann variieren, zudem sich diese im Verlaufe der Blütezeit meist aufhellt und angleicht.
Die Populationen der Südalpen sind intensiver rötlich gefärbt und die Pflanzen im Ganzen etwas kräftiger.

Verwechslung:
In Bayern durch die weiß-rosa Blütenfarbe unverwechselbar. Außerhalb Bayerns möglich mit weiteren hellblütigen Vertretern der Gattung Nigritella.
Das Steineralpen-Kohlröschen (N. lithopolitanica), mit Vorkommen in den Südost-Alpen Österreichs und Sloweniens ist sehr ähnlich und am besten durch die breiter geöffnete Lippe und eine niedrigere Rostellumsfalte zu unterscheiden.

Cornelias Kohlröschen (N. corneliana), mit Vorkommen in den französisch-italienischen Südwest-Alpen ist in Habitus und Blüten deutlich größer, die Blüten sind warm rosa statt bläulich rosa.

Das unweit Bayerns (Nordöstliche Kalkalpen, Grazer Bergland) vorkommende Steirische Kohlröschen (N. stiriaca) besitzt
einheitlich gefärbte Blüten, die aber zweifarbige Blütenblätter haben:
an der Basis dunkel (rosa bis hellrot), an der Spitze hell (hellrosa bis weißlich) und längere, eiförmig-zylindrische Blütenstände.


Feichtenalm
Foto: H.C.Alt
Blütezeit:
Anfang Juni bis Anfang (Mitte) Juli, abhängig von Höhenlage und Exposition, ca. 2 Wochen vor N. rhellicani, in etwa zur gleichen Zeit bzw. wenig früher als N. rubra, N. austriaca und N. dolomitensis.
In Bayern ist es das erste blühende Kohlröschen.

Wandspitz, 25.06.2006
Foto: U.Grabner

Wandspitz, 25.06.2006
Foto: U.Grabner
Lebensraum in Bayern:
Alpine (1300 - 2150m), flachgründige, felsdurchsetzte Blaugras-Halbtrockenrasen auf mäßig trockenem bis frischem, kalkhaltigem Untergrund.
Zu ihren bevorzugten Lebensräumen zählen nordexponierte, wie auch süd-südöstlich ausgerichtete Hänge hinter Berg-Graten oder die Grate selbst, an denen sie manchmal gemeinsam mit der ebenfalls seltenen Zwergorchis (Chamorchis alpina) vorkommen kann.
Ab und an besiedelt sie auch kleine Schneetälchen, wo sie bemerkenswerterweise trotz des oftmals gerade erst "verschwundenen" Schnees "pünktlich" Ende Juni blüht.
Als Begleitpflanzen kommen neben dem bestandsbildenden Blaugras eine Vielzahl kalkliebender Alpenpflanzen wie z.B. Kugelige Teufelskralle, Herzblättrige Kugelblume, Gemeines Katzenpfötchen und der Alpen-Wundklee vor.
Natürlich finden sich auch weitere Orchideenarten wie Österreichisches, Schwarzes und Rotes Kohlröschen, die Alpen-Händelwurz und die Grüne Hohlzunge ein, um nur einige zu nennen.

Feichtenalm, 01.07.2006
Foto: U. Grabner

Feichtenalm, 01.07.2006
Foto: Katja Grabner

Verbreitung
Zunächst galt N. widderi als Endemit der Ostalpen mit Hauptverbreitung in den Nördlichen Kalkalpen und dem Grazer Bergland in der Steiermark.
Im Laufe der letzten Jahre sind aber weitere, südlicher gelegenene Vorkommen bekannt geworden.
Länger bekannt ist ein inselartiges Vorkommen in den Zentralabruzzen Mittelitaliens. In jüngerer Vergangenheit wurden aber auch hellblütige Pflanzen im italienischen Veneto (PERAZZA 2005) und den östlichen Dolomiten (HERR-HEIDTKE & HEIDTKE 2006) als Nigritella widderi veröffentlicht.
Die Abbildungen in letztgenannter Veröffentlichung (Jour. Eur. Orch. 38 (1). 195 - 202. 2006) zeigen jedoch leichte Differenzen zu den Populationen der Nördlichen Kalkalpen und des Grazer Berglandes.

Verbreitung in Bayern
Wenige Fundorte in den Kalkalpen auf 1350 bis 2150 m Höhe, zwischen Füssen im Westen und der Tiroler Ache im Osten.

© AHO-Bayern e.V.
Verbreitungskarte im PDF- Format
Datenbasis AHO-Bayern und LfU

Karte mit Nachweis-Schwerpunkt ab 2021
Datenbasis AHO-Bayern

Wandspitz, 25.06.2006
knopendes Exemplar
Foto: U.Grabner

Feichtenalm, 01.07.2006
Foto: U. Grabner

Feichtenalm
Foto: H.C.Alt
Gefährdung:
Aufgrund der sehr seltenen und zudem meist noch individuenarmen Vorkommen sind diese durch jede Veränderung ihres Lebensraumes potentiell gefährdet.
Vor allem ist eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung (z.B. Düngung der Almen, Trittschäden durch Weidevieh usw.) und eine touristische Erschließung (z.B. Anlegen von Pisten und Liften) der Areale möglichst zu vermeiden.

Krapfenkarspitze, 25.07.1987
Foto: W. Wucherpfennig

Hochplatte, 28.06.2003
Foto: U. Grabner

N. widderi mit N. austriaca, Feichtenalm
Foto: H.C.Alt

Wandspitz, 25.06.2006
Foto: Uwe Grabner

Feichtenalm, 01.07.2006
Foto: U. Grabner

Feichtenalm, 01.07.2006
Foto: U. Grabner

Feichtenalm, 01.07.2006
Foto: U. Grabner

Roßkaiser/ Tirol, 05.07.1986
Foto: W. Wucherpfennig

Hochplatte, 28.06.2003
Foto: U. Grabner

Hochplatte, 28.06.2003
Foto: U. Grabner

Roßkaiser/ Tirol, 05.07.1986
Foto: W. Wucherpfennig

Feichtenalm, 01.07.2006
Foto: U. Grabner

Roßkaiser/ Tirol, 05.07.1986
Foto: W. Wucherpfennig

Krapfenkarspitze, 25.07.1987
Foto: W. Wucherpfennig

Geigelstein, 21.06.2003
Foto: W. Wucherpfennig

Geigelstein, 08.07.1989
Foto: W. Wucherpfennig

Links N. widderi mit hoher Rostellumsfalte; Geigelstein, 08.07.1989.
Rechts N. lithopolitanica mit niedriger Rostellumsfalte; Velik Zvoh,
Steiner Alpen, Slowenien, 11.07.1988.
Fotos: W. Wucherpfennig

Details einer Einzelblüte
Fotos: W. Wucherpfennig

Die Einrollung der Lippe kann unterschiedlich stark sein. Links:
Geigelstein, 08.07.1989. Mitte und Rechts: Feichtenalm, 24.06.2000.
Fotos: W. Wucherpfennig

Text:
Uwe Grabner & Wolfgang Wucherpfennig

Bildautoren:
Wolfgang Wucherpfennig
Hans Christian Alt
Katja Grabner
Uwe Grabner


Feichtenalm, 01.07.2006
Foto: K. Grabner
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