Mährische Ständelwurz
Epipactis moravica

P. BATOUŠEK 2004


*Epipactis moravica * Petr BATOUŠEK 2004 ; Jour. Europ. Orch. 36 (3): 677 & 678 (2004)

Typus: Tschechien, Südost-Mähren, Hügelland bei Hlucká pahorkatina, Gemeinde Nivnice (Bezirk Uherské Hradiště), Uferbestand des Baches Topolovský potok, 1,8 km westlich der Gemeinde, 270 m ü.NN
Holotypus : regionales Museum Südostmährens in Zlín (GM)

Syn.:
Epipactis nordeniorum ROBATSCH subsp. moravica (BATOUŠEK) KREUTZ (2004)
Epipactis persica (S) NANNFELDT subsp. moravica (BATOUŠEK) H.BAUMANN & R.LORENZ (2005)
Epipactis albensis H.NOVÁKOVÁ & RYDLO subsp. moravica (BATOUŠEK) KREUTZ (2005)


Abb. 1
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008
Foto: UG




Abb. 2
Tschechien, Mähren, Súcha Loz, 06.08.2005
Foto: WW




Abb. 3
Tschechien, Mähren, Nivnice (loc. typ.), 04.08.2010
Foto: HZ




Abb. 4
Tschechien, Mähren, Vápenky,
Biotop: Hainbuchenwald in einem kleinen Bachtal;
E. moravica steht meist nur wenige Meter vom Bachrand entfernt, 08.08.2008
Foto: UG
Etymologie:
moravica: bezugnehmend auf Moravia (Mähren), dem Gebiet der Erstfunde dieser Art

Wuchs und Größe :

mittelgroß, (10-) 12 – 26 (-40) cm, Triebe meist einzeln, seltener 2-3 in einer Gruppe; sterile Exemplare bisher nicht nachgewiesen;

Stängel:

steif, hellgrün bis grün, seltener bronzefarben an der Basis, in der unteren Hälfte unbehaart;

Blätter:

1 - 4 (-5), meistens 2, hellgrün bis grün, rund bis elliptisch, breit eiförmig bis eiförmig, ± waagerecht abstehend, im vorderen Teil nach unten geneigt, am Rand oftmals leicht gewellt, weich wirkend;
größtes Blatt (21-) 25-55 (-61) mm lang und 9-38 mm breit,
unterhalb des Blütenstandes keine tragblattähnlichen Hochblätter bildend;

Blütenstand:

1/3 bis 1/2 der Stängellänge, allseitwendig wobei 3/4 der Blüten meist in eine Richtung orientiert sind; Spindel behaart;

Fruchtknoten und Stiel:

fast kahl bis zerstreut behaart, grün, Unterseite abgeflacht, vom Stängel waagerecht abstehend;
Stielchen kurz, 2 - 4 mm, hellgrün, selten bronzefarben;

Tragblätter:

unteres Tragblatt breit elliptisch, groß, laubblattartig 1,5 - 2 x länger als die Blüte nach oben hin deutlich kleiner werdend, bereits das 3.Tragblatt ist kleiner als Blüte;

Blüten:

3 - 20 (-30), nur wenig geöffnet, glockenförmig, leicht nickend, außen grün, in der Regel ohne jegliche Rosafärbung, extrem selten mit leichter Rosafärbung auf dem Epichil und den Petalen,

Bestäubung autogam;

Sepalen:

eiförmig, außen grün, leicht gekielt, seitliche meist nach vorn gerichtet, manchmal leicht abstehend, mittleres stets über die Säule geneigt, innen hellgrün; 8 - 11,5 mm lang und 3,3 - 5,2 mm breit;

Petalen:

außen grün, mit grünem Mittelnerv, etwas heller als Sepalen, nicht selten zur Epichilspitze gerichtet; sich an den Spitzen häufig (fast) berührend und mit dem mittleren Sepal einen geschlossenen Helm bildend, der den freien Blick auf die Säule verwehrt; innen grünlichweiß, 7 - 9 mm lang und 3,5 - 5,5 mm breit, etwas kleiner als Sepalen;

Hypochil:

innen braun bis bräunlichgrün, wenig nektarführend;

Durchgang zwischen Hypo- und Epichil:

schmal, "U"-förmig oder "!"-förmig, seitlich mit breiten, leicht herab geschlagenem "Kragen"

Epichil/Kalli:

Epichil herzförmig, breiter als Hypochil, weiß bis grünlichweiß mit weißem Rand, sehr selten leicht rosa angehaucht;
nur wenig zurückgeschlagen, zu Blühbeginn mit hoch gebogenen Rändern (ähnlich Ep. albensis), später dann aber flach, nur noch an der Spitze aufgebogen;

Kalli wei ß bis grünlich, gegliedert in zwei rundliche Seitenkalli mit beinah glatter Oberfläche;

Gynostemium:

Anthere kurz aber deutlich gestielt, am Scheitel stumpf;
Rostellum vorhanden, Viscidium gut entwickelt, knorpelig und groß, trocknet aber bald ein; Pollinien anfangs recht kompakt, werden aber kurz nach Blühbeginn bröselig;
Narbe rechteckig, schräg zur Säulenachse gestellt, im unteren (basalen) Drittel fast senkrecht nach vorn gebogen;

Staminodien von der Säule abstehend, wesentlich breiter als die Anthere, von dieser getrennt durch tiefe dreieckige Einschnitte (Abb. 39)

Blütezeit:

je nach Lichtangebot und Luftfeuchte von E 7 - A 9, Schwerpunkt M 8


Variabilität:

Epipactis moravica ist kaum variabel. Den Blüten fehlt bis auf sehr seltene Ausnahmen jegliche Rot- oder Rosafärbung.
Lediglich die Färbung der Stängelbasis und Blütenstielchen kann zwischen Grün und leicht Bronzefarben variieren. Leichte Abweichungen kann es zudem in der Färbung der Kalli auf dem Epichil geben, was sich aber in einem geringen Umfang zwischen weißlich und grünlich bewegt.

Aus der Slowakei sind Pflanzen bekannt geworden (Abb. 12, 15, 25, 29, 33, 34), deren Merkmale zwischen Epipactis moravica (laubblattartiges unterstes Tragblatt) und E. nordeniorum vermitteln (rötliche statt grünliche Tönung von Petalen und Epichil, engerer Durchgang).



Verwechslungsmöglichkeiten:


Epipactis albensis, mit der sie ab und zu gemeinsam im Biotop vorkommen kann, ist habituell sehr ähnlich.
Auch die Blüten sind bei flüchtigem Hinsehen in Größe und Farbgebung nicht sofort zu unterscheiden. Im Detail besitzen die albensis-Blüten ein etwas schmaleres und ± nach vorn gerichtetes Epichil, dessen Ränder meist nach oben gebogen und grünlich sind. Der untere Narbenbereich bei E. albensis weist abgerundete Ecken auf, ein Viscidium fehlt (bis auf wenige Ausnahmen in Deutschland/Brandenburg).

Epipactis tallosii ist in Mähren einigermaßen gut von Ep. moravica zu unterscheiden durch ein schmales und kürzeres unterstes Tragblatt, weiter und gleichmäßig geöffnete Blüten, ein mehr eiförmiges und stärker zurückgeschlagenes Epichil mit schmalerem „Kragen“ (Abb. 41) und eine Säule mit ungestielter Anthere bzw. fast geradem Hinterrand des Klinandriums (Abb. 40). Zur Situation in Ungarn siehe „Problematik“.


Bei Epipactis nordeniorum sind die Blüten weiter geöffnet mit violettem Blütenstiel, die Petalen sind fast immer rosa getönt, die Sepalen oft bräunlich. Die Kalli sind gegliedert in Seitenkalli und Mittelkiel, wobei die Seitenkalli eine leicht gefurchte Oberfläche aufweisen. Das Epichil ist gleich breit oder nur wenig breiter als das Hypochil und hat einen engeren Durchgang zum Hypochil  mit schmälerem "Kragen".
Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass das Säulchen in seiner Struktur bei beiden Taxa praktisch identisch ist.
Habituell weist Ep. nordeniorum ein wesentlich kleineres erstes Tragblatt ohne Laubblattcharakter auf.
Verbreitung

Gebiet:

bisher nur aus einem kleinen Verbreitungsgebiet von Südost-Mähren, Slowakei und einem (unsicheren) inselartigen Vorkommen in Ungarn (BATOUŠEK 2005) bekannt.


Höhe:

270 - 440 m



Stand 2011
Verbreitungsgebiet
Kartenquelle: www.mygeo.info

Abb. 5
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008;
Eichen-Hainbuchenmischwald-Reste zwischen Feldern beherbergen öfters kleine Bäche und Quellen, in deren nahen Umgebung E. moravica öfter auch mit anderen "Auwaldständelwurzen" wie E. tallosii oder E. albensis vorkommt.
Foto: UG
Standort

Boden:

Bachanschwemmungen, kalkiger Löss oder Flysch der Westkarpaten;
Bodenreaktion wahrscheinlich neutral bis schwach alkalisch

Exposition:

jede

Biotoptyp:

schattig, überwiegend in Uferbereichen entlang von Bächen in Pappelbeständen oder Eichen-Hainbuchen-Mischwäldern, weiterhin in feuchten Vertiefungen im Bereich von Waldquellsümpfen; geht wie Ep. nordeniorum sehr selten auch in sonnigere Bereiche und wurde wie Ep. nordeniorum auch schon in feuchten kurzrasigen Wiesenbereichen gefunden;
bevorzugt offenbar Stellen mit hoher Luftfeuchtigkeit



Besonderheiten


-

Problematik

Morphologisch zeigt Epipactis moravica große Ähnlichkeit mit Ep. tallosii und deutliche mit Ep. albensis, ihr bisher bekanntes Areal liegt im Überlappungsbereich beider Arten. Ob diese Ähnlichkeit auf eine hybridogene Entstehung von Ep. moravica zurückgeht ist unbekannt, diese Frage ließe sich wohl nur durch genetische Untersuchungen fundiert beantworten.

Während Epipactis moravica in Mähren von der z.T. am gleichen Ort vorkommenden Ep. tallosii einigermaßen gut zu unterscheiden ist, gilt das für die wesentlich variableren ungarischen Populationen von Ep. tallosii nicht mehr. So tritt in Ungarn z.B. eine andere Form der Säulenrückseite auf (siehe hier), ebenso findet man weit entfernt vom moravica-Areal öfter tallosii-Pflanzen, die sich in einem oder mehreren Merkmalen der Ep. moravica nähern (siehe unter Epipactis tallosii).

Abb. 6
Tschechien, Mähren, Králov, 05.08.2010;
Eichen-Hainbuchenmischwald als Lebensraum von Epipactis moravica.
Foto: HZ

Abb. 7
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008;
Eichen-Hainbuchenmischwald, E. moravica vereinzelt vorkommend, vergesellschaftet mit E. tallosii.
Foto: UG

Abb. 8
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008;
Eine Zweiergruppe von E. moravica auf dem Fahrweg, der bei länger anhaltenden Regenfällen überspült wird.
Foto: UG

Abb. 9
Tschechien, Mähren, Vápenky,
Biotop: Hainbuchenwald in einem kleinen Bachtal; E. moravica steht meist nur wenige Meter vom Bachrand entfernt, 08.08.2008
Foto: UG

Abb. 10
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008
Foto: UG

Abb. 11
Tschechien, Mähren, Nivnice (loc. typ.), 04.08.2010
Foto: HZ

Abb. 12
Slowakei, Stupava 05.08.2005
Etwas abweichende,  z.T. an Ep. nordeniorum erinnernde  Population, deren Artzugehörigkeit noch nicht gänzlich geklärt ist.
Foto: SH

Abb.13
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008
Foto: UG

Abb. 14
Tschechien, Mähren, Králov, 05.08.2010
Foto: WW

Abb. 15
Slowakei, Stupava 05.08.2005
Etwas abweichende,  z.T. an Ep. nordeniorum erinnernde  Population, deren Artzugehörigkeit noch nicht gänzlich geklärt ist.
Foto: SH

Abb. 16
Tschechien, Mähren, Nivnice (loc. typ.), 04.08.2010
Foto: WW

Abb. 17
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008
Foto: UG

Abb. 18
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008
Foto: UG

Abb. 19
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008
Foto: UG

Abb. 20
Tschechien, Mähren, Králov, 05.08.2010;
das erste breite, laubblattartige Tragblatt
Foto: HZ


Abb. 21
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008
oftmals sind die Blüten nur wenig geöffnet

Foto: UG


Abb. 22
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008
Foto: UG


Abb. 23
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008;
das erste Tragblatt

Foto: UG


Abb. 24
Tschechien, Mähren, Králov, 04.08.2010
Blüte seitlich
Foto: WW

Abb. 25
Slowakei, Stupava 05.08.2005
Etwas abweichende,  z.T. an Ep. nordeniorum erinnernde  Population, deren Artzugehörigkeit noch nicht gänzlich geklärt ist.
Foto: SH

Abb. 26
Tschechien, Mähren, Nivnice (loc. typ.), 04.08.2010
Foto: WW

Abb. 27
Tschechien, Mähren, Králov, 04.08.2010
Foto: WW

Abb. 28
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008;
Einzelblüte frontal mit typischem Öffnungsgrad, die Epichilränder sind bei frisch geöffneten Blüten etwas nach oben gebogen.
Foto: UG


Abb. 29
Slowakei, Stupava 05.08.2005
Etwas abweichende,  z.T. an Ep. nordeniorum erinnernde  Population, deren Artzugehörigkeit noch nicht gänzlich geklärt ist.
Foto: SH


Abb. 30
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008;
Blick auf die Säule bei manuell geöffneter Blüte

Foto: UG


Abb. 31
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008
Foto: UG

Abb. 32
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008;
Vorsichtig manuell geöffneter Blüte

Foto: UG

Abb. 33
Slowakei, Stupava 05.08.2005
Etwas abweichende,  z.T. an Ep. nordeniorum erinnernde  Population, deren Artzugehörigkeit noch nicht gänzlich geklärt ist.
Foto: SH

Abb. 34
Slowakei, Stupava 05.08.2005
Etwas abweichende,  z.T. an Ep. nordeniorum erinnernde  Population, deren Artzugehörigkeit noch nicht gänzlich geklärt ist.
Foto: SH

Abb. 35
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008
Gut erkennbar der breite "Kragen" am Übergang zwischen Hypochil und Epichil, dessen Ränder hier nicht hochgebogen sind.
Foto: UG

Abb. 36
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008
Foto: UG


Abb. 37
Tschechien, Mähren, Králov, 06.08.2008;
obwohl das Viscidium gut entwickelt ist, sind die Pollinien bereits bei frischen Blüten bröselig.
Foto: UG


Abb. 38
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008;
Seitlicher Blick auf die Säule
, auch hier gleiten die bröseligen Pollinien auf die Narbenfläche.
Foto: UG

Abb. 40
Ep. moravica mit tief eingeschnittenem Hinterrand des Klinandriums bzw. gestielter Anthere,
Ep. tallosii
(in Mähren!) mit fast geradem Hinterrand des Klinandriums bzw. ungestielter Anthere
Foto: WW


Abb. 39
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008
Detail der Säule, rechts sind die V-förmigen Einschnitte erkennbar, welche die Staminodien von der Anthere trennen.
Foto: UG

Abb. 41
Lippenformen, speziell unter Berrücksichtigung des Lippenkragens im Vergleich
Foto: WW

Abb. 42
Tschechien, Mähren, Vápenky, 08.08.2008
Längsschnit durch die Säule - die Anthere ist deutlich gestielt.
Foto: UG

Abb. 43
Tschechien, Mähren, Králov, 04.08.2010
Blattrand
Foto: WW
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