Süditalienische Ständelwurz
Epipactis meridionalis

H. BAUMANN & R. LORENZ 1988      


*Epipactis meridionalis * BAUMANN & LORENZ;
Beiträge zur Kenntnis der Gattung Epipactis Zinn in Mittel- und Süditalien und der Verbreitung einiger in diesem Gebiet spätblühender Orchideen. Mitt.Bl. Arbeitskr. Heim.Orch. Baden-Württ. 20 (3): 652 – 694 (1988).

Typus: Italien, Kalabrien, Aspromonte nahe Gambarie, Piano die Petroná, 1 km ö Monumento Garibaldi

Abb. 1
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP




Abb. 2
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
Foto: HP
Syn.: -
Etymologie:
benannt nach der italienischen Bezeichnung von Süditalien „Italia meridionale“, dem bisher bekannten Verbreitungsgebiet

Wuchs und Größe :

(15) 20 – 40 (50) cm, Triebe in der Regel einzeln, selten zu zweit oder gar in Gruppen;

Stängel:

steif, dünn, gelegentlich hin und her gebogen; meist rötlich, violett bis bräunlich überlaufen; unten kahl, nach oben zunehmend flaumig behaart;

Blätter:

4 – 5 (-8) Laubblätter, oft zweizeilig angeordnet, steif und schräg aufwärts stehend bis waagrecht und leicht überhängend; relativ klein, grün mit meist bräunlichen oder violetten Adern, selten violett überlaufen (v.a. auf der Unterseite), 4 – 6 cm lang und 1,4 – 2,7 cm breit;
zusätzlich 1 – 2 Hochblätter, meist schräg aufwärts stehend bis waagrecht;

Blütenstand:

oft einseitswendig mit 5 – 17 locker angeordneten, eher kleinen Blüten; Spindel deutlich flaumig behaart

Fruchtknoten und Stiel:

schmutzig grün bis violett überlaufen, flaumig behaart mit deutlichen Längskanten; Stielchen violett, kurz;

Tragblätter:

lanzettlich, zugespitzt, waagrecht stehend bis abwärts geneigt, bis 1,6 cm lang und 3 mm breit

Blüten:

mittelgroß bis klein, glockig bis (später) weit geöffnet, waagrecht abstehend – leicht nickend, 15 – 18 mm breit und 10 – 12 mm hoch, außen meist bräunlich bis rotviolett überlaufen, die Knospen wirken oft bronzefarben;

Bestäubung allogam, vermutlich später auch autogam;

Sepalen:

eiförmig – lanzettlich, zugespitzt, 8 – 10 x 4,5 – 6 mm, innen grün bis schmutzig grünviolett, außen m.o.w. violett überlaufen;

Petalen:

eiförmig zugespitzt, 7,5 – 9 x 4 – 5 mm, schmutzig bis weißlich grün, an Rand und Spitze intensiver gefärbt;

Hypochil:

kugelig, weit geöffnet, 3,5 – 5 x 3,5 – 5 mm, innen hell- bis dunkelbraun, Nektar führend, außen weißlich grün;

Durchgang zwischen Hypo- und Epichil:

mittelbreit (laut Erstbeschreibung eng), m.o.w. U-förmig, weißlich;

Epichil/Kalli:

dreieckig bis herzförmig mit zurückgeschlagener, stumpfer Spitze; breiter als lang, 3 – 4 x 5 – 6 mm, weiß bis weißlich grün, meist mit deutlichen, scharf abgesetzten auffallenden Kalli;
Kalli kräftig, gegliedert, schwach runzlig, fast immer deutlich dunkler (rot, selten grün) gefärbt;

Gynostemium:

Anthere kurz gestielt, Rostellum vorhanden, Viscidium groß und in der frischen Blüte funktionsfähig;

Blütezeit:

je nach Lage, Meereshöhe und Exposition (M6) A7 – M (E)8, relativ spät


Abb. 3
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
Foto: HP
Variabilität:

Die Art variiert habituell wenig hinsichtlich der Blattstellung und Blattgröße, was im Allgemeinen auf Niederschläge und Beschattung zurückzuführen ist. Gelegentlich kommen kaum oder stark violett überlaufene Exemplare vor, es scheint auch, dass die violette Überfärbung im Verlauf der Anthese schwächer wird. Die Farbe der Blüten variiert von grün über bräunlich bis leicht violett, verbunden mit m.o.w. weißlichen Anteilen. Dies ist auch innerhalb von größeren Populationen feststellbar.
Verwechslungsmöglichkeiten:

Epipactis meridionalis ist bei typischer Ausprägung aufgrund der eher kleinen, waagrecht abstehenden Blätter und der relativ kleinen Blüten mit deutlich farbigem Kallus im Gebiet nur mit 2 Arten zu verwechseln: E. lucana hat einen kräftigeren Stiel, der gewöhnlich rein grün ist, glatte, derbe Laubblätter und in der Blüte bis auf den Kallus kaum Rottöne. Sie blüht zudem noch später auf und kann sehr kräftig und deutlich hochwüchsiger werden. Auch Epipactis sanguinea besitzt den stark gefärbten Kallus und ist eine zierliche Pflanze. Ihre Blüten sind jedoch stets autogam mit funktionsloser Rostelldrüse, die Blütenstiele sind rein grün. Insgesamt fehlen ihr - außer auf dem Kallus - die Rottöne.
Zierlichere Ausprägungen von E. helleborine blühen normalerweise etwas eher auf, sind  kleinwüchsiger mit längeren Blättern, haben etwas größere Blüten und zeigen nicht das auffallend gefärbte Epichil und eine schwächere Behaarung in der Spindel. Blüten und Fruchtknoten sind zudem deutlicher grün. Stellenweise (z.B. Monte Gargano) kommen Pflanzen vor, die nicht eindeutig zuzuordnen sind.

Stärker violett überfärbte Exemplare könnten eventuell mit E. purpurata verwechselt werden, die jedoch etwas später blüht, durchschnittlich einen kräftigeren Habitus und deutlich mehr Blüten aufweist, die zudem etwas größer sind und weniger intensiv gefärbten Kalli auf dem Epichil besitzen.

Von der ebenfalls kleinblütigen und oft gemeinsam mit ihr vorkommenden Epipactis schubertiorum unterscheidet sie sich durch den späteren Blühzeitpunkt, die deutlich kürzeren Blätter und die meist stark farbigen Kalli.
Verbreitung

Gebiet:

südliches Italien (Berggebiete vom Latium und Monte Gargano bis Sizilien), vermutlich gehören die Meldungen von der Insel Pantelleria (als E. purpurata) ebenfalls zu dieser Art


Höhe:

500 - 1600 m


Abb. 4
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Stand 2019
Verbreitungsgebiet
Kartenquelle: www.mygeo.info
Standort

Boden:

vermutlich nur basischer, aber auch kalkfreier Untergrund, teils steinig, teils humos, trocken bis frisch in der Nähe von Bächen

Exposition:

jede

Biotoptyp:

krautarme Stellen in schattigen bis sehr lichten Buchen- und Buchen-Tannen-Mischwäldern, aber auch in Eichen- und Esskastanien-Beständen mit wenig Unterwuchs

Besonderheiten

Wie die meisten allogamen Epipactis-Sippen zeigt auch diese Art einen nahezu hundertprozentigen Fruchtansatz. Es muss also davon ausgegangen werden, dass auch bei ausbleibender Bestäubung die Pollen durch Zerfallen den oberen Rand der Narbe erreichen und die Befruchtung so gesichert ist.

Sterile Exemplare sind selten.

Trotz weiter Verbreitung im Süden Italiens ist die Art nicht häufig.

Problematik:

Die Abtrennung zu E. lucana fällt bei Einzelexemplaren nicht immer leicht, da bei E. meridionalis auch wenig rot gefärbte Exemplare vorkommen können, sich die Verbreitung deutlich überlappt und beide Arten allogam sind.

In manchen Gegenden (z.B. Monte Gargano, Monte Faito) gibt es Pflanzen, die den typischen E. meridionalis zwar ähneln, aber in einigen Punkten durchaus abweichen können. So besitzen sie weniger violett überlaufene Stängel und nicht den auffallend gefärbten Kallus. Wie diese Pflanzen letztendlich einzuordnen sind,
ist noch nicht geklärt.


Abb. 5
Sizilien, Monte Etna, Südseite,16.06.2001
zusammen mit Ep. microphylla und Dact. romana
Foto: HP

Abb. 6
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
in Begleitung von Limodorum brulloi
Foto: HP

Abb. 7
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 8
Italien, Basilikata, Mt. Volturino, 03.087.2019
Foto: HP

Abb. 9
Italien, Basilikata, Mt. Volturino, 03.087.2019
seltenes steriles Exemplar
Foto: HP

Abb. 10
Sizilien, Monte Etna, Südseite,16.06.2001
Exemplar ohne Anthocyane
Foto: HP

Abb. 11
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
stärker violett überlaufenes Exemplar
Foto: HP
Abb. 12
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
Foto: HP

Abb. 13
Sizilien, Monte Etna, Südseite,16.06.2001
Foto: HP

Abb. 14
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 15
Italien, Kalabrien, Zervò, 09.08.2013
Foto: SH

Abb. 16
Italien, Kalabrien, Mte. Pecoraro, 07.08.2013
Foto: SH

Abb. 17
Italien, Kalabrien, Mte. Pecoraro, 07.08.2013
Foto: SH

Abb. 18
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
Foto: HP

Abb. 19
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 28.07.2008
Foto: WW

Abb. 20
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 28.07.2008
Foto: WW

Abb. 21
Italien, Basilikata, Mt. Volturino, 03.087.2019
Foto: HP

Abb. 22
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 23
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 24
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 25
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 26
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 27
Sizilien, Monte Etna, Südseite,16.06.2001
Foto: HP

Abb. 28
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 29
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 30
Sizilien, Monte Etna, Südseite,16.06.2001
Foto: HP

Abb. 31
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 32
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 33
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
Foto: HP

Abb. 34
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 35
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 36
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 37
Italien, Kalabrien/Aspromonte, Gambarie
28.07.2008
Foto: WW

Abb. 38
Sizilien, Monte Etna, Südseite,16.06.2001
Foto: HP

Abb. 39
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
Foto: HP

Abb. 40
Italien, Kalabrien, Zervò, 09.08.2013
Foto: SH

Abb. 41
IItalien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 42
Italien, Basilicata, Potenza, la Sellata 24.07.2008;
Sepalen außen, Stängel und Stielchen violett überlaufen
Foto: EG

Abb. 43
Italien, Kalabrien, Zervò, 09.08.2013
Foto: SH

Abb. 44
Italien, Kalabrien, Zervò, 09.08.2013
Foto: SH

Abb. 45
Italien, Basilikata, Mt. Volturino, 03.087.2019
Foto: HP

Abb. 46
Italien, Kalabrien, Mte. Pecoraro, 07.08.2013
Foto: SH

Abb. 47
Italien, Kalabrien, Zervò, 09.08.2013
Foto: SH

Abb. 48
Italien, Kalabrien, Zervò, 09.08.2013
Foto: SH

Abb. 49
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 28.07.2008
Foto: WW

Abb. 50
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 28.07.2008
Foto: WW

Abb. 51
Italien, Kalabrien, Zervò, 09.08.2013
Foto: SH

Abb. 52
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 54
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
Foto: HP

Abb. 55
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 53
Sizilien, Monte Etna, Südseite,16.06.2001
Foto: HP

Abb. 56
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
Foto: HP

Abb. 57
Italien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 58
Sizilien, Monte Etna, Südseite,16.06.2001
Foto: HP

Abb. 59
Italien, Serra San Bruno, Ferdinandea, 08.07.2000
Foto: HP

Abb. 60
IItalien, Kalabrien, Aspromonte, Gambarie (Terra typica) 05.08.2014
Foto: HP

Abb. 61
Blattrand-Detail
Italien, Basilicata, la Sellata 24.07.2008
Foto: WW

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