Bienen-Ragwurz
Ophrys apifera
HUDSON (1762)


Unterfamilie: Orchidoideae
Tribus: Orchideae
Subtribus: Orchidinae

Veröffentlicht in:
Flora anglica: 340. 1762

Lectoypus:
L´OBEL, pl. icon.: 179, fig. 2. 1581. Herkunft vermutlich Belgien (KÜNKELE & SEBALD et al. 1998: 419)

Etymologie:
apifera = lat. "bienentragend", bezugnehmend auf das bienenähnliche Aussehen der Blütenlippe

Blütezeit: A 6 - A 7

Wonsees (Nördl. Frankenalb), 08.06.2009
Foto: Stephan Lang

Mit dem Erscheinen der  Bienenragwurz wird der Frühsommer auf Bayerns artenreichen Halbtrockenrasen eingeleitet.  Trotz ihrer exotischen Blütenpracht ist die „Biene“ im hohen Gras der bunten Blumenwiesen  gut getarnt und vermag sich geschickt den Blicken ihres Betrachters zu entziehen.

Beschreibung
20-50 cm hohe schlanke Pflanze mit 2-4 bläulichgrünen Rosettenblättern am Grund und stängelbegleitenden kleinen Blättern. Der Blütenstand ist sehr locker und besteht aus 3-10 Blüten.  Die Sepalen sind eiförmig-lanzettlich geformt und weiß bis rosa gefärbt. Charakteristisch ist das oft nach hinten umgeschlagene mittlere Sepalum . Die Petalen sind länglich kurz und sehr unauffällig.
Die Lippe ist dreilappig ausgeprägt. Die beiden Seitenlappen sind spitz gehöckert und pelzig behaart. Der Mittellappen ist bauchig und besitzt an der Spitze ein nach unten gerichtetes Anhängsel. Das hellbraun gefärbte Basalfeld wird von einer weißumrandeten „Kragenzeichnung“ eingerahmt, die sehr variabel ausfallen kann. Über der Lippe thront ein weit vorgestrecktes Säulchen, dessen Konnektivfortsatz  schnabelförmig gebogen ist  (Unterscheidungsmerkmal zu allen anderen heimischen Ragwurz-Arten!)

Pähl, Hartschimmel, Juni 1970
Foto: H. Eisenbeiss

Schon bald nach dem Aufblühen kann man beobachten, wie sich die Pollinien aus den Pollenfächern lösen, sich nach unten krümmen und schließlich die Narbe berühren. Dieser Vorgang der obligaten Selbstbestäubung ist für die Bienenragwurz typisch und innerhalb der Gattung Ophrys einmalig. Der Grund dieser Entwicklung könnte ehemals in einem fehlenden Bestäuberinsekt gelegen haben. Seit der Kenntnis dieser Art hat sich in diesem Merkmal nichts geändert.
Dadurch  erklärt sich auch die geringe Variabilität der Art im Gegensatz zu anderen Ragwurz-Arten.  Der Selbstbestäubung  der Bienenragwurz verdanken wir auch einige kuriose Blütenformen,  die sich deutlich von der Normalform unterscheiden, jedoch ebenfalls obligat autogam vermehren. Folgende Varietäten kommen auch in Bayern vor:
Var. bicolor:  bei dieser sehr seltenen Form ist die Malzeichnung der Lippe stark reduziert oder verwaschen, die Vorderlippe ist vollkommen ungezeichnet.
Var. botteronii, friburgensis, jurana:  diese Formen sind sich sehr ähnlich bzw. identisch. Allen gemeinsam sind stark verlängerte und verbreiterte Petalen und eine manchmal abweichende Lippenzeichnung. Die Lippe kann ungehöckert oder nur leicht gehöckert sein.
Var. trollii: diese äußerst seltene, aber spektakuläre Form zeichnet sich durch eine gelbgefärbte zugespitzte schmale Lippe aus, die nur schwach gezeichnet und leicht gehöckert ist.


Habitus - Wonsees, 20.06.2010
Foto: Florian Fraaß

Verwechslung:
Die Hummelragwurz (Ophrys holoserica) besitzt eine ungeteilte und breitere Lippe, das Anhängsel  ist nach oben gebogen und die Säule ist kleiner und nicht geschnäbelt. Die Spinnenragwurz (Ophrys sphegodes) trägt grüne Sepalen und blüht wesentlich früher.

Blütezeit:
In Bayern die spätblühendste Ragwurz, ab Anfang Juni bis Anfang Juli

Lebensraum

Wärmeliebende Trocken- und Halbtrockenrasen und Wacholderheiden auf mäßig trockenen bis wechselfeuchten kalkhaltigen Böden.  Sie ist ein typischer Vertreter artenreicher Magerrasen und oft mit anderen Orchideenarten vergesellschaftet.


Oftmals im hohem Gras wachsend, hier bei
Tutzing, 25.06.2010
Foto: U. Grabner

Halbtrockenrasen bei Tutzing als Biotop
25.06.2010
Foto: U. Grabner

Ammerfeld bei Aschfeld/Eussenheim, 22.8.09
Foto: Wolf-Achim Roland

Ammerfeld bei Aschfeld/Eussenheim, 14.06.2010
Foto: Wolf-Achim Roland
Verbreitung

Die am weitesten verbreitet Ophrys-Art Europas.  Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich ostwärts von Portugal  bis nach Georgien, im Norden bis nach England, im Süden bis Nordafrika und Vorderasien. Verbreitungsschwerpunkt ist das mediterrane Südeuropa.

© AHO-Bayern e.V.
Verbreitungskarte im PDF-Format
Datenbasis AHO-Bayern und LfU

Karte mit Nachweis-Schwerpunkt ab 2021
Datenbasis AHO-Bayern

Verbreitung in Bayern
Zerstreut und lückenhaft verbreitet in den Muschelkalkgebieten Unterfrankens, Nördliche und Südliche Frankenalb und Alpenvorland.

Gefährdung
Die Bienenragwurz ist eine der wenigen Orchideenarten, die sich aufgrund der allmählichen Klimaerwärmung in den letzten Jahrzehnten in Bayern ausgebreitet hat.
Dennoch reagiert sie auf unterschiedliche Witterungsverhältnisse sehr sensibel und zeigt alljährlich starke Schwankungen im Blüh- und Standortverhalten. So kann es in manchen Jahren aufgrund von kalten Wintern oder Frühjahrstrockenheit vielerorts zum Totalausfall der Blüte kommen. In Fachkreisen spricht man dann auch von einem schlechten „Bienenjahr“. Speziell in Nordbayern ist ihr unstetes Verhalten beispielhaft. An alten Standorten verschwindet sie, an neuen taucht sie auf. Besonders schutzwürdig sind daher die wenigen Biotope, in denen sich dauerhaft stabile Vorkommen etabliert haben.
So bleibt die Bienenragwurz trotz der positiven Ausbreitungstendenz in Bayern eine seltene Orchideenart, da  Ihre Bestände nirgends hoch sind und durch Verbuschung, Brache und Überweidung stark gefährdet sind.


forma "aurita",
kennzeichnend hier die langen Petalen
Murnau, Hagner Moos, Juni 1964
Foto: H. Eisenbeiss


var. friburgensis,
Baunach (Oberfranken), 14.06.2010

Foto: Stephan Lang


var. trollii, Bad Windsheim (Mittelfranken), 24.06.2010
Foto: Stephan Lang

var. trollii,
Bad Windsheim, 24.06.2010

Foto: Stephan Lang

var. bicolor,
Pforzheim (Baden-Württemberg), 09.06.2003

Foto: Katja Grabner
Wonsees, 20.06.2010
Foto: Florian Fraaß

Weilheim, Hardt-Kapelle , Juni 1985
Foto: H. Eisenbeiss
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Stephan Lang