Rotes Kohlröschen
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Unterfamilie: Orchidoideae Lectotypus: |
Geigelstein, Ende Juni, 1960 Foto: H. Eisenbeiss |
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Blütezeit: M 6 – E 7 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Rote Kohlröserl sind im bayerischen Alpenraum ziemlich selten. Die Kenntnisse über sichere Vorkommen waren bis ca. 1970 überhaupt sehr lückenhaft. Meist findet man einzelne Exemplare oder kleinere Gruppen auf rasigen Flächen in gipfelnahen Bereichen. Es gibt allerdings auch einige wenige Standorte auf Almwiesen mit stattlichen Beständen dieser wunderschönen Orchidee. |
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Kranzberg, 15.06.2008 Foto: W. Dworschak |
Wildes Fräulein, Spitzingsee-Gebiet, 21.06.2008 Foto: W. Dworschak |
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Beschreibung: Die Pflanzenhöhe beträgt 10-20 (25) cm. Der kräftige Stängel ist hellgrün und leicht kantig. Die Blätter sind schmal, rinnig grasartig und am Grunde gehäuft. Die stängelbegleitenden Blätter werden nach oben hin kürzer und gehen in die braunrot beränderten und meist partiell mit einem kurzen Stiftchensaum besetzten Tragblätter über. Der Blütenstand ist in der Höhe sehr variabel und reicht von ca. 15 mm bei kleinen Pflanzen bis zu 35 mm bei großen. Im Aufblühen ist er spitz kegelig, bei voller Blüte halbkugelig bzw. langgestreckt eiförmig bis zylindrisch bei großen Exemplaren. Er ist dicht mit Blüten besetzt, die einen starken vanilleartigen Duft ausströmen. Die Blütenzahl kann bis über 40 betragen. Die Tragblätter ragen vor allem im oberen Teil als dunkle Spitzen heraus. Die Blüten selbst sind wie bei allen Nigritellen nicht resupiniert, d. h. die Lippe zeigt nach oben. Die Lippe ist bis 8 mm lang und zeigt im unteren Bereich eine starke sattelförmige Einschnürung, so dass sich die gegenüberliegenden Lippenränder (fast) berühren oder nur einen schmalen Spalt offenlassen. Im oberen Teil ist die Lippe in Längsrichtung tütenförmig eingerollt und wirkt dadurch oft recht schmal und langgestreckt. Die Petalen sind gleich breit oder nur wenig schmäler als die Sepalen, erscheinen aber durch ihre Form optisch oft deutlich schmäler. Die Blütenfarbe ist ebenfalls recht unterschiedlich und reicht von kräftigem Rot bis zu einem blaustichigen dunklen Rosarot. Häufig beobachtet man eine Aufhellung (bis hellrosa) des unteren Teils des Blütenstands. Dies ist vor allem bei größeren Blütenständen ausgeprägt und scheint mit dem Verlauf der Blühphase (Anthese) zuzunehmen. N. miniata blüht am gleichen Standort ein bis zwei Wochen vor N. rhellicani. |
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Karwendelkamm bei Mittenwald - 14.07.2010, Höhe 2300 m: Exemplar mit ausgeprägter Zweifarbigkeit des Blütenstands, N. bicolor? Foto: H.C. Alt |
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Tanner Alm – 26.06.2010 Detail des Blütenstands, erkennbarer Stiftchensaum am untersten Blatt Foto: H.C. Alt |
Tanner Alm – 26.06.2010 Typische Einschnürung im unteren Teil der Lippe mit gegenseitiger Berührung der Lippenränder Foto: H.C. Alt |
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Problematik Alle roten Kohlröschen-Arten sind apomiktisch, d. h. sie pflanzen sich asexuell fort. Dies bedeutet, dass die Tochterpflanzen vollkommene Klone der Mutterpflanzen sind. Isolierte Populationen zeigen dementsprechend oft ein sehr einheitliches Erscheinungsbild. Im Vergleich verschiedener Populationen des Verbreitungsgebiets ergibt sich jedoch eine erstaunliche morphologische Variationsbreite. Mikrobiologische Untersuchungen haben ergeben, dass eine eindeutige Differenzierung auf genetischer Grundlage nicht möglich ist. Einige Autoren neigen deshalb dazu, alle rote Nigritellen zu einer Art zusammenzufassen und die Abweichungen als lokale Varianten zu betrachten. Dem steht entgegen, dass bestimmte Sippen auch örtlich weit voneinander entfernter Standorte die gleichen Merkmale aufweisen und morphologisch eindeutig abzugrenzen sind. Als erste der im bayerischen Alpenraum vorkommenden Sippen wurden die kleinen, hellrosa blühenden N. widderi als eigene Art abgetrennt. Eine weitere rote Kohlröschen-Art, N. dolomitensis, wurde zunächst für die Dolomiten beschrieben und später von Werner DWORSCHAK (2002) für den bayerischen Alpenraum nachgewiesen. Deren Merkmale sind die weiter geöffnete Lippen mit geringerer Einschnürung und generell kleinere Pflanzen. In einer neueren Arbeit (FOELSCHE, 2010) wird die Art Nigritella miniata im eigentlichen Sinne eingeschränkt auf Pflanzen, die der ursprünglichen Beschreibung von WETTSTEIN entsprechen. Die meisten anderen Pflanzen/Populationen werden einer neu beschriebenen Art, Nigritella bicolor, zugeordnet. Darunter würde auch die Mehrzahl der bayerischen Vorkommen fallen. Die morphologischen Merkmale sind eben die ausgeprägte Zweifarbigkeit (hellrosa/dunkelrosa) mit der beschriebenen Aufhellung des unteren Teils des Blütenstands, die allerdings schon zu Beginn der Anthese vorhanden sein muss, weiterhin ausgebreitete Sepalen, die zudem deutlich breiter sind als die Petalen, eine breitere Lippe (im Vergleich zu N. miniata ) und eine relativ späte Blütezeit. Feldbeobachtungen im Sommer 2010 an einigen bayerischen Standorten konnten allerdings die Kombination dieser Merkmale nicht durchgängig bestätigen, so dass weitere Untersuchungen notwendig sind. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es auch einige isolierte Vorkommen von kleinen Populationen roter Kohlröschen im bayerischen Alpenraum gibt, deren Zuordnung zu keiner der beschriebenen Arten bisher eindeutig möglich ist. |
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Chiemgauer Alpen bei Aschau – 05.07.2010 Biotop: Südosthang in ca. 1500 m Höhe mit reichem Bestand an N. rubra Foto: H.C. Alt |
Tanner Alm – 26.06.2010 Orchideen-Begleitflora: Kugel-Knabenkraut, Weißzüngel (sowie Brand-Knabenkraut, Hohlzunge, Mücken-Händelwurz und Prächtiges Knabenkraut in der näheren Umgebung) Foto: H.C. Alt |
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Tanneralm, 17.06.2009 Foto: W. Dworschak |
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Lebensraum Die Pflanze kommt in Gipfelregionen auf alpinen Urrasen vor, aber auch im Bereich von extensiv bewirtschafteten Almen. Sie bevorzugt warme, sonnige Lagen; im Gegensatz zu N. rhellicani gedeiht sie nur über Kalk/Dolomit. In niederen, humoseren Lagen steht sie oft im dichten Gras. Hier ist für den Erhalt der Art eine extensive Beweidung oder späte Mahd notwendig. Begleitende Orchideenarten können die anderen Kohlröschen sein, Hohlzunge, Alpen-Händelwurz, Fuchs‘, Brand- und Kugel-Knabenkraut. |
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Chiemgauer Alpen bei Aschau – 05.07.2010 Stattlicher Blütenstand mit langgezogenen Lippen Foto: H.C. Alt |
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Verbreitung |
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Gefährdung |
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Kranzberg, 15.06.2008 Foto: W. Dworschak |
Wildes Fräulein, Spitzingsee-Gebiet, 21.06.2008 Foto: W. Dworschak |
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Verbreitungskarte im PDF- Format Datenbasis AHO-Bayern und LfU Karte mit Nachweis-Schwerpunkt ab 2021 Datenbasis AHO-Bayern |
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Tanner Alm – 26.06.2010 Biotop: Almwiese in 1300 m Höhe, zur Blütezeit noch nicht beweidet Foto: H.C. Alt |
Tanneralm, 17.06.2009 Foto: W. Dworschak |
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Tanneralm, 17.06.2009 Foto: W. Dworschak |
Kranzberg, 15.06.2008 Foto: W. Dworschak |
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Hans Christian Alt | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Literatur BRÜTSCH J. P. J. (2000): DWORSCHAK W. (2002): GRIEBL N. (2009): KRETZSCHMAR H. (2008): PRESSER H. (2002): WUCHERPFENNIG W. (1999): |
Tanneralm, 26.06.2010 Großer Blütenstand (35 mm Höhe), Aufhellung im unteren Teil Foto: H.C. Alt |
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