Bocks-Riemenzunge
Himantoglossum hircinum
(L.) SPRENGEL (1826)



Typischer Habitus der Bocks-Riemenzunge – Ebelsbach 4.6.2010
Foto: F. Fraaß
Unterfamilie: Orchidoideae
Tribus: Orchideae
Subtribus: Orchidinae

Veröffentlicht in:
Syst. veg. 3: 694. 1826. typ. cons.

Basionym:
Satyrium hircinum LINNÉ Sp. pl. 2: 944. 1753

Lectotypus:
VAILLANT, Bot. paris.: tab. 30, fig. 6. 1727. Herkunft: Frankreich: Bois de Boulogne, ca. 1720, leg. S. VAILLANT (BAUMANN, KÜNKELE & LORENZ 1989: 491, 608-609)

Etymologie:
Himantoglossum: zusammengesetzt aus dem griechischen "himas" = Riemen und "glossa" = Zunge;
hircinum: vom lateinischen "hircus" = Bock, bezugnehmend auf den ziegenbockähnlichen Geruch der Blüten.

Beschreibung

Große, kräftige Pflanze (30-80 cm), die insgesamt sehr dicht und gedrungen wirkt. Die breiten, oft lanzettlichen Blätter am Grund des dicken Stängels sind während der Blütezeit häufig schon am verwelken. Grund hierfür ist, dass die Blätter bereits im Spätherbst des Vorjahres austreiben. Der Blütenstand ist mit bis zu 100 Blüten sehr dicht besetzt. Die Blüten sind sehr langgestreckt, grünlich bis weißlich mit kleinen roten Punkten. Die Sepalen und Petalen bilden eine Art Helm. Die Lippe ist dreilappig, wobei der Mittellappen mit ca. 4-7 cm außergewöhnlich lang ausgeprägt ist („Riemen, Zunge“). Die Seitenlappen sind mit 1-2 cm deutlich kürzer. Der Sporn ist sackartig abwärts gerichtet. Typisch ist der sehr intensive Duft der Blüten nach Ziegenbock („Bocks“).
Die Blütezeit reicht von Mitte/Ende Mai bis Mitte Juni.


Dicht an dicht gedrängt zeigt sich der Blütenstand – Ebelsbach 4.6.2010
Foto: F. Fraaß

Verwechslung:
In Bayern unverwechselbar. In mediterranen Gebieten kommt mit der Adriatischen Riemenzunge ein ähnlicher Typ vor. In Deutschland wächst jedoch nur die Bocks-Riemenzunge.


Trotz ihrer Größe wirkt die Bocks-Riemenzunge zwischen hohem Gras manchmal recht unauffällig – Ebelsbach 4.6.2010
Foto: F. Fraaß

Lebensraum

Die Bocks-Riemenzunge wächst auf kalkhaltigem Boden auf Trockenrasen und in lichten Wäldern. Sie bevorzugt klimatisch begünstigte Standorte (häufig werden z.B. aufgelassene Weinberge besiedelt). Dort kann man sie dann auch zwischen hohem Gras oder Gebüsch finden. Das kann dazu führen, dass man die Pflanzen trotz ihrer Größe erst bei genauem Hinsehen entdeckt. Sie kommt vor allem in tieferen Lagen bis maximal 800m vor.


Magerwiese unterhalb aufgelassener Weinberge im Maintal – Ebelsbach 4.6.2010
Foto: F. Fraaß

Kräftige Exemplare können bis zu 80 cm hoch werden – Schwaigern 20.5.2008
Foto: F. Fraaß
Verbreitung:
Die Bocksriemenzunge wächst von Nordafrika, Süditalien über Spanien und Frankreich bis nach Belgien, Holland, Deutschland und Mittelengland. Je nördlicher sie vorkommt, desto seltener wird sie, da sie hier auf klimatisch begünstigte Biotope angewiesen ist.

Verbreitungskarte im PDF-Format
Datenbasis AHO-Bayern und LfU

Karte mit Nachweis-Schwerpunkt ab 2021
Datenbasis AHO-Bayern

Verbreitung in Bayern/ Gefährdung:
In Süd- und Südostbayern fehlt die Art gänzlich. Ihre Hauptvorkommen liegen in Nordwestbayern im Maintal (v.a. Unterfranken). Von dort kommt sie in Richtung Osten bis etwa zum Landkreis Bamberg vor. Damit stößt sie an ihre östliche Verbreitungsgrenze in Bayern. Die südliche Verbreitungsgrenze ist auf vereinzelte Standorte im Altmühltal beschränkt. Insgesamt muss jedoch angemerkt werden, dass diese seltene Art sich leicht ausbreitend zeigt. So wurden in den letzten Jahren einige Neuansiedlungen in klimatisch günstig gelegenen Gebieten beobachtet. Dies bestätigt die Tendenz, dass sich wärmeliebende Arten wie die Bocksriemenzunge oder das Purpur-Knabenkraut aufgrund der Klimaerwärmung tendenziell ausbreiten. Trotz dieser Feststellung ist die Bocks-Riemenzunge eine sehr seltene Orchidee bei uns. Dies mag allein schon mit ihren klimatischen Standortansprüchen  zusammenhängen. Zudem kommt eine Gefährdung durch Verbuschung und Aufforstung von Magerrasen hinzu.


Beeindruckend ist der äußerst intensive Duft nach Ziegenbock, welchen die Blüten verströmen – Ebelsbach 4.6.2010
Foto: F. Fraaß

Einzelblüten – Ebelsbach 4.6.2010
Foto: F. Fraaß

Wunderbar zu erkennen ist hier der extrem lange Mittellappen, der mit etwas Phantasie einem Riemen oder einer Zunge ähnelt (Name !) – Leutra 25.5.2010
Foto: F. Fraaß


H. hircinum mit einer Sandbiene (Andrena spec.), 15.5.2018
Foto: J. Vetter

Florian Fraaß


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