Falsche Violette Ständelwurz
Epipactis pseudopurpurata
P. MERED'A fil. 1996


*Epipactis pseudopurpurata *P. MERED'A fil., Preslia 68 (1): 27 (1996)

Abb. 1
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
Foto: HP






Abb. 2
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
Foto: HP






Abb. 3
Tschechien, Stráni 07.08.2008
Exemplar beinah ohne Violettfärbung des Stängels und der Blätter
Foto: UG
Typus: Slowakei; Bezirk (Okres) Ilava; Strážovské vrchy , SW-Hang des Berges Klepač , 400 m

Syn.: Epipactis viridiflora ssp. pseudopurpurata (MERED`A fil.) KREUTZ (2005)
Etymologie: "pseudo" = unecht; "purpurata" bezogen auf Epipactis purpurata

Wuchs und Größe :

zierlich, in der Regel nur einen Spross austreibend, selten zwei; Wuchshöhe (10-) 15-30 (-41) cm

Stängel:

dünn, olivfarben bis braunviolett, an der Basis 1,2-3,2 mm dick und braunviolett gefärbt

Blätter:

2 - 3 Niederblätter, das oberste meist noch grün,
Laubblätter 1 - 3, dunkel graugrün, mit rosaviolett bis bläulich gefärbten Unterseiten und Blattnerven,
Verteilung mehr oder weniger in der Stängelmitte,
(eiförmig-) lanzettlich, meist scharf zugespitzt, am Rand leicht gewellt, waagerecht abstehend oder bogig schräg aufwärts gerichtet, Blattspitze oft gebogen oder verdreht,
größtes Blatt: (2,5-) 3,5-6 (-7,2) cm lang und (0,7-) 1-2 (-2,8) cm breit, kürzer, oder höchstens 1,5 mal so lang wie das Internodium
Hochblätter 1- selten 2

Blütenstand:

Ähre locker, einseitswendig, eher armblütig mit (1-) 3-12 (-20) Blüten, in etwa 1/3 des Stängels einnehmend,  an der Spitze oft zur Seite in Richtung Blüten gebogen,
Spindel im Bereich des Blütenstandes dicht flaumig behaart

Fruchtknoten und Stiel:

sehr locker flaumig behaart, hell bis satt graugrün;
an den Kanten und Stielchen meist rosaviolett bis bläulich angehaucht

Tragblätter:

schmal lanzettlich, an der Spitze oft gebogen oder verdreht, waagerecht abstehend oder leicht abwärts weisend,
unterstes (1,5-) 2-4 (-6,2) cm lang und 0,3-1 (-1,8) cm breit

Blüten:

groß, ähnlich wie bei E. purpurata, waagerecht abstehend bis leicht herabhängend, relativ weit geöffnet,
verglichen mit E. purpurata-Blüten ohne Seidenglanz,
bei Trockenheit sehr oft kleistogam

Bestäubung obligat autogam

Sepalen:

eiförmig-lanzettlich, hell- bis dunkel graugrün, bei Kleistogamie bis ockergelb, innseitig heller,
8,5 - 11,5 mm lang und 3,5 - 5 mm breit

Petalen:

außen elfenbeinweiß, manchmal in der Mitte grünlich, mit mehr oder weniger intensiv malvenrosa-farbigem Hauch, innenseitig heller, 8-9,5 mm lang und 3,5-5 mm breit

Hypochil:

mitteltief, außen weißlich, innen hell, farblich variierend von blass zitronengelb, über ockergelb bis erbsengrünlich

Durchgang zwischen Hypo- und Epichil:

weit geöffnet

Epichil/Kalli:

im Umriss rundlich herzförmig, breiter als lang , 3-4 mm lang und 4-5,5 mm breit, elfenbeinweiß an der Spitze mit etwas gelblichem Hauch, im Bereich der großen, aber flachen Kalli malvenrosa-farbig oder weiß

Gynostemium:

in Bezug auf die Fruchtknotenachse gerade verlaufend bis leicht nach hinten gerichtet, Stigma rechteckig, schräg oder senkrecht zur Gynostemium-Achse gestellt, Klinandrium kurz bis fehlend,
Viscidium kann rudimentär vorhanden sein, ist dann aber unwirksam, Pollinien können aber auch komplett über das Rostellum geschoben und auf dem Stigma aufliegend sein,
Pollinien relativ kompakt und nur schwach zerfallend;

Blütezeit:

M.7 – M.8, kurz vor, bzw. zur gleichen Zeit wie E.purpurata

Variabilität:
Vor allem die Intensität der Violettfärbung der Battunterseiten, Blütenstielchen und Fruchtknoten kann recht variabel und teilweise fast gar nicht mehr zu beobachten sein. Aber auch in der Struktur des Gynostemiums sind bereits innerhalb einer Population uneinheitliche Ausprägungen beobachtet worden. So kann beispielweise in seltenen Fällen ein Viscidium bei manchen Pflanzen entwickelt sein, welches aber von Beginn an funktionslos ist. Andererseits können die Pollinien komplett über den oberen Stigma- Rand, ähnlich der Epipactis muelleri geschoben und auf die weibliche Stigma-Fläche "abgelegt" worden sein. In diesem Fall ist das Klinandrium stark verkürzt.



Verwechslungsmöglichkeiten:

mit schwachen Exemplaren von Epipactis purpurata --> diese von höherem und kräftigerem Wuchs, kaum zerknitterten Blätter, meist intensivere Violettfärbung des Stängels und der Blattunterseiten, hervorragend funktionierendes Viscidium (allogame Art), seidig schimmernde Blüten mit mehr Rosaanteil, gern in größeren Gruppen wachsend; Blütezeit kurz nach E. pseudopurpurata.
Aufgrund der zwar blassen, aber doch sehr purpurata-ähnlichen Blüten ist E. pseudopurpurata kaum mit weiteren Arten zu verwechseln.


Verbreitung


Gebiet:

noch relativ unerforscht und nach heutigem Kenntnisstand recht begrenzt,
bisher nachgewiesen aus dem Gebiet Strážov- Berge (Strážovské vrchy, loc. typ.) und der Vel’ka Fatra im Westen der Slowakei und dem Chočgebirge (Chočské vrchy) im Norden des Landes.
Weiterhin aus den Weißkarpaten (Biele Karpaty), dem Grenzgebiet zwischen der West-Slowakei und Südost Tschechiens; Meldungen aus Ungarn (Balkony) betreffen vermutlich schwache Exemplare von E. purpurata

Höhe:

330-820 m


Abb. 4
Slowakische Republik, Trencianske Teplice 17.07.1999
ein Blatt
Foto: WW

Verbreitungsgebiet
Kartenquelle: www.mygeo.info

Abb. 5
Tschechien, Stráni 07.08.2008
schattiger bis halbschattiger, krautarmer Buchenwald als Biotop
Foto: UG
Standort

Boden:

flachgründig über Kalk

Exposition:

in Mähren (Tschechien) westexponierte Hanglage, in der Westslowakei ebene Bereiche

Biotoptyp:

schattige und halbschattige, krautarme Bereiche in Rot- und Hainbuchenwäldern

Besonderheiten
Obwohl die Art morphologisch der E. purpurata in einigen Merkmalen sehr ähnlich ist, hat sie sich für einen anderen (autogamen) Weg der Bestäubung "entschieden".
Geht man von einer Abspaltung von Epipactis purpurata aus, haben sich neben der Gynostemium- Struktur etliche Merkmale an eine "typische" autogame Epipactis angepasst, was sich unter anderem durch eine reduzierte Färbung und weitaus zierlicheren Wuchs in allen Teilen (außer Blüten) bemerkbar macht.
Die Pflanze "betreibt" nur noch so viel Aufwand, wie unbedingt nötig, um flachgründigere Böden oder trockene Hanglagen besiedeln zu können.
Bemerkenswert ist das begrenzte Verbreitungsgebiet im Vergleich zu Epipactis purpurata, in dem sie zudem nur selten vorkommt.
Man darf sie sicherlich als eine rare und durch potentielle Eingriffe in die Lebensräume gefährdete Art auffassen.
Problematik

Von einigen Autoren wird E. pseudopurpurata im Unterartrang zu E. purpurata geführt.
In der Tat ist beispielsweise die Säulenstruktur von E. pseudopurpurata auch innerhalb einer Population  durchaus variabel und weitere morphologische Ähnlichkeiten sind nicht zu leugnen.
Es ist anzunehmen, dass sich E. pseudopurpurata aus E. purpurata entwickelt hat.
Allerdings ist sie in ihrem Verbreitungsgebiet im Ganzen kaum variabel, ist obligat autogam (ganz im Gegensatz zu E. purpurata!) und lässt, trotz der oftmals nur unweit ebenfalls vorkommenden E. purpurata, nur extrem selten Pflanzen mit intermediären Merkmalen zu Tage treten.
Solche Pflanzen wurden von HP und SH beobachtet und werden auch hier im folgenden auf dieser Seite gezeigt.

Abb. 6
Slowakischen Republik, Trencianske Teplice 17.07.1999
Foto: HZ

Abb. 7
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
Biotop in ebenem Areal
Foto: HP

Abb. 8
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 17.07.1999
Foto: HZ

Abb. 9
Slowakische Republik, Trencianske Teplice 17.07.1999
knospig
Foto: WW

Abb. 10
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
blühend
Foto: HP

Abb. 11
Tschechien, Stráni, 07.08.2008
fruchtend
Foto: UG

Abb. 12
Slowakischen Republik,
Trencianske Teplice 17.07.1999
Foto: HZ

Abb. 13
Tschechien, Stráni, 07.08.2005
Blüten mit intensiver gefärbtem Epichil
Foto: WW

Abb. 14
Tschechien, Stráni, 07.08.2008
oberer Blütenstandsausschnitt
Foto: UG

Abb. 15
Tschechien, Stráni 07.08.2008
Blüte seitlich
Foto: UG

Abb. 16
Slowakische Republik, Trencianske Teplice 17.07.1999
Blüte seitlich, intensiver gefärbt
Foto: WW

Abb. 17
Slowakischen Republik, Trencianske Teplice 17.07.1999
Foto: HZ

Abb. 18
Tschechien, Stráni, 07.08.08
E. pseudopurpurata   
Foto: UG

Abb. 19
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
Foto: HP

Abb. 20
Tschechien, Stráni, 07.08.2008
Kalli auf dem Epichil nur sehr schwach rosa angehaucht, Hypochil hell gelblich   
Foto: UG

Abb. 21
Tschechien, Stráni, 07.08.08
E. pseudopurpurata fruchtend
Foto: UG




Abb. 22
Tschechien, Stráni, 07.08.08
E. muelleri-ähnliche Säulenstruktur mit Blick auf das Stigma und die darauf platzierten, kaum bröselnden Pollinien
Foto: UG

Abb. 23
Tschechien, Stráni 07.08.2008
Blick auf das Gynostemium von der Seite (Sepalen und Petalen entfernt):
Pollinien sind über den oberen Narbenrand geschoben und sitzen auf dem Stigma auf.
Foto: UG

Abb. 24
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 17.07.1999
Studie des Gynostemiums
Foto: WW

Abb. 25
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
Exemplar mit Anklängen an E. purpurata
Foto: HP

Abb. 26
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
Exemplar mit Anklängen an E. purpurata
Foto: HP

Abb. 27
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
Exemplar mit Anklängen an E. purpurata
Foto: HP

Abb. 28
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
links typische E. pseudopurpurata, mitte intermediär und rechts E. purpurata
Foto: HP

Abb. 29
Slowakische Republik, Trencianske Teplice, 01.08.2003
links typische E. pseudopurpurata, mitte intermediär und rechts E. purpurata
Foto: HP
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