Sumpf-Ständelwurz
Epipactis palustris

(L.) CRANTZ 1769 Stirp. austr. 2, Fasc. 6: 462, 1769


Bas.: Serapias helleborine h palustris L., Sp. pl. 2: 950. 1753

Lectotypus:
DODOENS, Purgant. hist.: 186, 1574.
Belgien: Umgebung von Mechelen, ca. 1570, leg. Rembert Dodoens (1518-1585)

Abb. 1
Griechenland,Pindus, 05.06.2000
Foto: HP




Abb. 2
Deutschland, Bayern, Oberfranken, nahe Gasseldorf 07.07.2004
Foto: HZ



Abb. 3
Deutschland, Bayern, Oberfranken, nahe Gasseldorf 07.07.2004
Foto: HZ



Abb. 4
Spanien, Pyrenäen, Sierra Sardaneira, 06.08.2010
sickernasser Hang mit Pfeifengras, in Begleitung von Dact. elata, Gym. conopsea, Plat. spec.
Foto: HP




Abb.: 5
Griechenland, Zagoria, Hang am Rande einer Schotter-straße zusammen mit Dactylorhiza saccifera und Gymnadenia conopsea. 28.07.2001
Foto: EG
Syn.: Serapias palustris (L.) L., Amoen. Acad. 4: 107 1759
Etymologie:
palustris bedeutet in der Übersetzung "im Sumpf lebend" und bezieht sich auf den Wuchsort der Art.

Merkmale:
Rhizomgeophyt mit kriechender, langer Grundachse und abwärts gerichteten behaarten Wurzeln. Die stark verzweigten Rhizome dienen als Überdauerungsorgane. Während der Wachstumsphase werden mehrere Neutriebe gebildet. Auf diese Weise kommt es zu einer vegetativen Vermehrung. Aus stärkeren Stöcken entwickeln sich meist mehrere Blütentriebe. Vielfach auch nicht blühende Sprosse.

Wuchs und Größe :

Wuchshöhe (10) 20-50 (-80) cm;

Stängel:

aufrecht; grün bis verwaschen violett, unten kahl, oberwärts dicht flaumig behaart;

Blätter:

am Grund 2-3 grün oder violett überlaufene Niederblätter; Laubblätter 5-8, grün; kurzscheidig und zweizeilig angeordnet; längsrinnig mit vorspringenden Längsnerven, länger als die Internodien; das unterste Stängelblatt ist am breitesten, eilanzettlich und kurz zugespitzt, 5-9 cm lang und 1,8-3,2 cm breit; nach oben folgen länger zugespitzte, lanzettliche Blätter, deren größte Blattbreite im untere Drittel liegt; das oberste Stängelblatt ist tragblattartig, 1,7-4,5 cm lang und erreicht den Beginn des Blütenstandes nicht.

Blütenstand:

langgestreckt, einseitswendig, kurzhaarig, 5-15 cm lang, locker mit 4-20 Blüten besetzt, auch am Anfang der Blütezeit oben noch deutlich hängend;

Fruchtknoten und Stiel:

flaumig behaart, 13-18 mm lang und 2-3,5 mm breit, davon ist das Stielchen 5-6mm; braun-violett;
Stielchen stets gleiche Farbe wie Fruchtknoten;

Tragblätter:

krautig, lanzettlich, zugespitzt, die unteren so lang wie der Fruchtknoten, 8-14 mm lang und 3-4,5 mm breit, die oberen halb so lang

Blüten:

hängend, weit geöffnet, geruchlos, mittelgroß

Bestäubung allogam, durch Insekten (Schwebfliegen, Bienen, Wespen, Käfer usw.), kann bei ausbleibender Bestäubung durch Insekten aufgrund der Säulchenstruktur auch autogam sein; neben der sexuellen Fortpflanzung kann sie sich durch Ausläufer des unterirdischen Rhizoms vermehren;

Sepalen:

eiförmig lanzettlich, die seitlichen leicht abwärts gerichtet, 10-13 mm lang und 3,5-4 mm breit, auf der Außen- und Innenseite grünlich gefärbt und oft braunrot bis violettrot überlaufen, das mittlere Sepalum ist etwas kürzer als die seitlichen und bildet mit den Petalen einen lockeren Helm;

Petalen:

elliptisch stumpf, 10-11 mm lang und 3,5-4 mm breit, weiß bis hellrosa mit violetten Linien entlang der Aderung;

Hypochil:

Seitenlappen schief eiförmig, weiß mit roten Adern; Mittelteil gelblich mit orangefarbenen, nektarabsondernden Drüsen

Durchgang zwischen Hypo- und Epichil:

das Hypochil ist mit dem Epichil durch ein bewegliches Gelenk verbunden → Sektion Arthrochilum

Epichil/Kalli:

rundlich, an den seitlichen Rändern aufgebogen und an der stumpfen Spitze leicht abwärts gerichtet, weiß, am Rand wellig gekerbt; an der Basis sind zwei deutliche  Längswülste, die vorn von einer gelb-orangenen Linie umgeben sind, welche Blütenstaub imitiert und Insekten anlocken soll;

Gynostemium:

lang und schlank; Pollinien hellgelb, ungestielt mit gemeinsamer Klebdrüse, Anthere abgerundet, hellgelb und über den vorderen Narbenrand inkl. Viscidium (Klebdrüse) hinausragend;

Blütezeit:

Mitte Juni bis Anfang August



Variabilität:


Die Sippe ist nicht sehr variabel. Es sind niedrige und wenigblütige Pflanzen (forma ericetorum : Dünentäler, Heideflächen, Kiefernwälder) sowie auch schlaffe, hochwüchsige, reichblütige Pflanzen (forma silvatica: schattige Waldstellen) bekannt. Exemplare mit rein weißen Blütenlippen sind selten.

Verwechslungsmöglichkeiten:


keine
Verbreitung

Gebiet:

temperate und submeridionale Florenzone durch Europa bis Vorderasien, in Asien weiter bis Sibirien und die Mongolei, Kaukasien und den Westen des Iran. Nach Norden dringt sie nur wenig in die boreale Zone nach Skandinavien vor, in der meridionalen Zone bis Italien, Griechenland und Anatolien.
In Nordamerika wurde sie im Jahr 2006 das erste Mal verwildert gefunden.


Höhe:

0 – 2225 m, in China bis 3350 m; Die meisten Vorkommen liegen in den Tieflagen, oberhalb 400 m wird die Art seltener.



Stand 2020
Verbreitungsgebiet
Kartenquelle: www.mygeo.info
Standort

Boden:

sicker- oder wechselnasse, basen- (meist kalk-) reiche, neutrale, milde Ton- oder Sumpfhumus-Böden.

Exposition:

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Biotoptyp:

lichtliebend; auf niedrige Vegetation oder auf Mahd angewiesen; nährstoffreiche Böden und starke Beschattung werden gemieden; selten auf trockneren Böden;
Feuchtwiesen, Quell- und Niedermoore, Moorwiesen, Binsensümpfe, Pfeifengraswiesen, nährstoffarme Moore und Moorwälder, sickernasse Hänge, Seeufer, wechselfeuchte Mulden in Flussauen, nasse Dünentäler

Besonderheiten

Epipactis palustris ist neben Epipactis veratrifolia die einzige europäische Art der Sektion Arthrochilum
Siehe „Morphologie
Eigene Beobachtungen (HP) haben gezeigt, dass die Art bei günstigen Bedingungen im Freiland im 3. Jahr nach dem Aussamen, häufiger jedoch im 4. Jahr zur Blüte kommen kann.

Problematik
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Abb. 6
Frankreich, Aigues Mortes, Dünentäler, vergesellschaftet mit Orchis coriophora subsp. fragrans, Orchis palustris, Spir. aestivalis, 07.06.2008
Foto: HP

Abb.: 7
Großbtitannien, Wales, Kenfig, Dünentäler, begleitet von Liparis loeselii, Listera ovata, Gymnadenia conopsea subsp. friesia, Dact. fuchsii, Dact. incarnata ssp. coccinea und Dact. praetermissa, 03.08.2002
Foto: HP

Abb.: 8
Großbritannien, Wales, Aberystwyth, Dünentälchen, begleitet von Dact. incarnata ssp. coccinea und Dact. praetermissa, 04.08.2002
Foto: HP

Abb.: 9
SO-Polen, Bieszczady, sickerfeuchte Bergwiese, E. palustris abblühend 03.08.2004
Foto: HP

Abb. 10
Deutschland, Sachsen, in ehemaligen Braunkohlegruben in ehemaligen Braunkohlegruben, Sachsen,
teils fast keine Begleitvegetation, teils u.a. mit Dact. incarnata, 06.07.2001
Fotos: HP

Abb.: 11
Deutschland, Bayern, auf Kiesboden an der Donau bei Neustadt, 15.07.1999
Foto: HP

Abb. 12
Deutschland, Bayern, Oberfranken, nahe Gasseldorf 07.07.2004
Foto: HZ

Abb.: 13
Deutschland, Bayern, Neumarkt/OPf; Massenbestand in sickernasser Wiese, begleitet von Dact. majalis, 15.07.2009
Foto: HP

Abb.: 14
Großbritannien, Wales, Anglesey
kräftig gefärbte und großblütige Form, 04.08.2002
Foto: HP


Abb. 15
Deutschland, Bayern, Bad Aibling 26.06.1976
gemeinsam mit Orchis (Anacamptis) palustris

Foto: HZ


Abb. 16
Deutschland, Bayern, Wolfratshausen, 08.07.2010
in Wacholder-Steppenheide Im Augebiet der Isar, vergesellschaftet u.a. mit Gymnadenia odoratissima, Goodyera repens, Epipactis atrorubens und Cypripedium calceaolus
Foto: UG

Abb. 17
Deutschland, Bayern, Pfünz 30.05.1999
Epipactis palustris austreibend

Foto: HP

Abb.: 18
Deutschland, Bayern, Oberfranken, nahe Gasseldorf 07.07.2004
Foto: HZ

Abb. 19
Deutschland, Bayern, Oberfranken, nahe Gasseldorf 07.07.2004
Foto: HZ

Abb. 20
Großbritannien, Wales, Morfa Dyffryn, 10.07.1992
Foto: EG

Abb.: 21
Großbritannien, Wales, Aberystwyth, 04.08.2002
Foto: HP

Abb. 22
Deutschland, Bayern, Oberfranken, nahe Gasseldorf 07.07.2004
Foto: HZ

Abb. 23
Deutschland, Falkenstein, 01.08.1999
Blüte ohne Rot
Foto: EG

Abb. 24
Deutschland, Bayern, Oberpfalz, Deusmauermoor 27.07.1974
Foto: HZ

Abb. 25
Deutschland, Bayern, Wolfratshausen 09.07.2009
Wegwespe (Auplopus spec.) als Bestäuber
Foto: UG

Abb. 26
Deutschland, Bayern, Wolfratshausen 09.07.2009
Schwebfliege als Bestäuber
Foto: UG

Abb. 27
Deutschland, Bayern, Wolfratshausen 09.07.2009
Raupenfliege (Cylindromyia bicolor) als Bestäuber
Foto: UG

Abb. 28
Deutschland, Bayern, Wolfratshausen 09.07.2009
Acker-Hummel (Bombus pascuorum ) als Bestäuber
Foto: UG

Abb.: 29
Deutschand, Bayern, Regensburg, 22.07.2003
Foto: HP

Abb. 30
Deutschland, Bayern, Geretsried, 25.07.2009
Fruchtstände
Foto: UG

Abb.: 31
Deutschland, Bayern, Neumarkt/OPf,
reife, geöffnete Samenkapseln 15.09.2009
Foto: HP

Abb. 32
Spanien, Pyrenäen, Sierra Sardaneira, 06.08.2010
Foto: HP

Abb.: 33
Großbritannien, Wales, Kenfig, 3.8.02
grüne Form
Foto: HP

Abb. 34
Deutschland, Bayern, Wolfratshausen, 08.07.2010
Foto: UG

Abb. 35
Spanien, Pyrenäen, Sierra Sardaneira, 06.08.2010
Foto: HP

Abb. 36
Säulchen-Studie
Foto: WW

Abb. 37
Deutschland, Bayern, Vorderriß 08.08.2000
Blattrand-Detail
Foto: WW

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