Majella-Ständelwurz
Epipactis majellensis
H. PRESSER & S. HERTEL 2019


Weitere Erkenntnisse zur Vielfalt der Epipactis-Arten in Italien, Stefan Hertel und Helmut Presser; Berichte aus den Arbeitskreisen Heimische Orchideen. 36 (1): 5-61 (2019).


Abb. 1
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH



Abb. 2
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH




Abb. 3
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH
Typus: : Italien, Abruzzen, Majella ssw Pretoro, 1135 m ü.d.M., unterwuchsarmer Buchenwald, 29.7.2018

Syn.: -
Etymologie:
benannt nach der Majella, einem Gebirgszug im Osten der Apenninenhalbinsel

Wuchs und Größe :

zierlich und klein, Wuchshöhe (10) 14-18 (28) cm

Stängel:

meist einzeln, bei hellem Standort gelegentlich auch 2 Sprosse austreibend, dünn, meist gerade oder nur leicht gebogen, rein grün, unten kahl, weiter oben leicht flaumig behaart


Blätter:

1 schuppenförmiges Niederblatt
weitere Laubblätter 2–4 (5), grün bis dunkelgrün, schmal bis breit lanzettlich, selten die unteren rundlich, die größten (4,1) 5-6 (6,8) x 1,3-2 (2,8) cm, waagrecht abstehend, meist etwas bogig und zum Ende hin hängend; flach ausgebreitet bis leicht rinnig mit relativ geradem Rand
Hochblätter (0–2), schmal lanzettlich spitz, 2-4 (5) x 0,3-0,7 (1) cm


Blütenstand:

Ähre meistens nicht besonders dichtblütig, nur (2) 4-6 (14) Blüten, öfter m.o.w. einseitswendig; kurz, ein Sechstel bis ein Viertel (Drittel) des Stängels einnehmend
Spindel im Bereich des Blütenstandes kurz und teils dichter behaart, durch obligate Autogamie nahezu 100% Fruchtansatz


Fruchtknoten und Stiel:

Stielchen lückig und schwach behaart, grün bis bronzefarben, teils etwas violett
Tragblätter:

lanzettlich, auch die unteren meist kürzer als die Blüten, die oberen sehr kurz; m.o.w. waagrecht abstehend


Blüten:

sehr klein, variabel, grünlich, Rottöne fehlen meist; fast waagrecht ausgerichtet bis deutlich hängend (v.a. bei Trockenheit); meist kleistogam, seltener glockig geöffnet, Blütenblätter von außen an der Basis gelblicher als der Fruchtknoten
Bestäubung autogam

Sepalen:

7–8 x 1,7 mm, das mittlere etwas kleiner, länglich oval bis oval, grün, außen an der Basis etwas heller als der Fruchtknoten, seitliche Sepalen in der basalen Hälfte verbreitert

Petalen:

etwas kleiner, breit eiförmig, spitz, etwa 6 x 3,9 mm, oft ein wenig heller als die Sepalen, blass gelbgrün, gelegentlich an der Basis leicht rosa

Hypochil:

oval bis länglich oval, tief, 3–4 x 2,5 mm, außen weißlich, innen hellbraun, kaum Nektar führend
Durchgang zwischen Hypo- und Epichil: oft eng, teils schlüssellochförmig; mit breitem Kragen, der sich teils weit nach hinten das Hypochil entlang ziehen kann

Epichil/Kalli:

meist dreieckig, oft so lang wie breit und gleichmäßig nach unten gebogen, ca. 2,5 x 2,5 mm; weiß mit leicht rosa angehauchtem, dreiteiligem, wenig auffälligem Kallus

Gynostemium:

Klinandrium und Rostellum in der Regel voll entwickelt, kleines Viscidium anfangs vorhanden aber fast immer funktionsunfähig; Anthere sehr kurz gestielt, oft sitzend
Pollinien anfangs kompakt, schnell krümelig werdend
Narbe weist schräg nach unten, manchmal fast dreieckig
Pflanzen mit „muelleri-Säule“ kommen selten vor.


Blütezeit:

sehr kurz;
(M) E 7 (– A8)

Variabilität:
Epipactis majellensis variiert in der Blüte relativ stark. Dies betrifft die Epichilform, den Durchgang und sogar den Säulenbau.
Verwechslungsmöglichkeiten:
Durch ihren zierlichen, dünnstängeligen Habitus mit den meist kleistogamen Blüten ist sie kaum zu verwechseln. Allerdings kommen im Gebiet auch relativ zierliche Ep. helleborine-Typen und eine noch ungeklärte, ähnliche allogame Sippe vor. Hinsichtlich des Habitus ist Ep. pontica am ähnlichsten, die jedoch etwas kräftiger ist und völlig andere Blüten besitzt. Auch Ep. sanguinea und Ep. cordigera können ähnlich sein, blühen aber gewöhnlich nicht kleistogam, haben anders gefärbte und abweichende Blüten mit schmäleren Blütenblättern. Die schräg liegende Säule ist in allen anderen genannten Arten nicht vorhanden.
Verbreitung

Gebiet:

Die Sippe wurde bisher nur auf der Ost- und Nordseite der Majella gefunden. Hier dürfte sie allerdings noch weiter verbreitet sein, da sie sehr leicht zu übersehen ist.

Höhe:

1050 - 1175 m


Abb. 4
Italien, Chieti, Pretorio, L. typ., 29.07.2018
Foto: HP

Stand 2020
Verbreitungsgebiet
Kartenquelle: www.mygeo.info
Standort

Boden:

basisch, auf steinigen, humusreichen Böden

Exposition:

hauptsächlich nordexponiert, gern in Verebnungen

Biotoptyp:

Die Art besiedelt Buchenwälder mit ausreichendem Niederschlag. Sie bevorzugt krautarme, lichte Bereiche, kommt aber auch zwischen niedrigen Kräutern vor.

Besonderheiten
Sterile Pflanzen sind für eine autogame Art auffallend häufig. Der Prozentsatz dürfte bei nahe 10% liegen. Bei Trockenheit öffnen sich die Blüten an Stellen mit wenig Restfeuchtigkeit im Boden gar nicht, werden aber befruchtet (Autogamie). Auch in feuchten Jahren sind nur einzelne Blüten glockig geöffnet.

Problematik
In der Majella gibt es sehr ähnlich aussehende allogame Pflanzen, die allerdings allogam sind und etwas später blühen. Ob sie zu dieser Art zu ziehen sind, ist noch nicht geklärt.
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Abb. 5
Italien, Chieti, Bocca di Valle, 01.08.2013
Foto: HP

Abb. 6
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 7
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 8
Italien, Chieti, Pretorio, 29.07.2018, rechts Typusexemplar
Foto: HP

Abb. 9
Italien, Chieti, Bocca di Valle, 01.08.2013
Foto: HP

Abb. 10
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 11
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 12
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 13
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 14
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH

Abb. 15
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH

Abb. 16
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH

Abb. 17
Italien, Chieti, Majella, Holotyp, 28.07.2018
Foto: SH

Abb. 18
Italien, Chieti, Majella, 28.07.2019
Foto: SH

Abb. 19
Italien, Chieti, Majella, 17.07.2016
Foto: SH

Abb. 20
sehr zierliche kleistogame Population,
Italien, Majella, Bocca di Valle, 01.08.2013
Foto: HP

Abb. 21
Italien, Chieti, Majella, 17.07.2016
Foto: SH

Abb. 22
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 23
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 24
Italien, Chieti, Majella, 17.07.2016
Foto: SH

Abb. 25
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 26
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 27
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH
Abb. 28
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH

Abb. 29
Italien, Chieti, Majella, 28.07.2019
Foto: SH

Abb. 30
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 31
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 32
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH

Abb. 33
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH

Abb. 34
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH

Abb. 35
Italien, Chieti, Majella, 29.07.2019
Foto: SH

Abb. 36
Italien, Chieti, Majella, 17.07.2016
Foto: SH

Abb. 37
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 38
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 39
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 40
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018, Exemplar mit
fehlendem Rostellum
Foto: HP

Abb. 41
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

Abb. 42
Italien, Chieti, Pretorio, L.c., 29.07.2018
Foto: HP

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